Roverandom
Geschwätz hatte oder nicht, dem Redeschwall seiner Frau hörte er jedenfalls zu. Oder hatte es getan, bevor Rover auftauchte. Mrs. Artaxerxes beendete ihr Geschwätz und ihre Stopfarbeit, sobald sie Rover erblickte, tauchte nieder, hob ihn auf und trug ihn zurück zu ihrem Sitz. Das war in Wirklichkeit ein Fensterplatz im ersten Stock (ein Innenfenster) – es gibt in den Meer-Häusern keine Treppen und aus demselben Grund keine Regenschirme; und es besteht auch kein großer Unterschied zwischen Türen und Fenstern.
Die Meer-Dame lagerte ihren schönen (und ziemlich ausladenden) Leib behaglich wieder auf ihrer Couch und nahm Rover auf den Schoß; und auf der Stelle ertönte unter dem Fensterplatz ein schreckliches Knurren.
»Leg dich hin, Rover! Leg dich hin, braver Hund!«, sagte Mrs. Artaxerxes. Jedoch sie sprach nicht mit unserem Rover; sie sprach mit einem weißen Meer-Hund, der jetzt, ungeachtetihres Befehls, hervorkam, knurrte und grollte, mit seinen kleinen Schwimmfüßen das Wasser schlug, mit dem großen flachen Schwanz peitschte und aus seiner scharfen Nase Blasen hervorstieß.
»Was für ein abscheuliches kleines Etwas!«, sagte der Meer-Hund. »Was für ein jämmerlicher Schwanz! Und diese Füße! Und diese alberne Haut!«
»Schau dich selber an«, sagte Rover vom Schoß der Meer-Dame, »und du wirst so etwas nicht noch einmal sagen! Wer hat dich Rover genannt? – eine Kreuzung zwischen einer Ente und einer Kaulquappe, die so tut, als wäre sie ein Hund!« Woraus ihr entnehmen könnt, dass sie vom ersten Augenblick an Gefallen aneinander fanden.
Tatsächlich wurden sie bald gute Freunde – vielleicht nicht so gute wie Rover und der Mond-Hund, wenn auch nur, weil Rovers Aufenthalt unter Wasser kürzer war und diese Tiefen für kleine Hunde nicht so kurzweilige Orte sind wie der Mond, denn sie waren voll von dunklen und schaurigen Winkeln, in denen es nie hell war und nie hell sein wird, weil sie niemals enthüllt werden, bis alles Licht entschwunden ist. Entsetzliche Wesen hausen dort, unvorstellbar alt, gefeit gegen alle Zaubersprüche, unermesslich riesig. Artaxerxes hatte das bereits herausgefunden. Das Amt des PAM ist nicht gerade das angenehmste auf der Welt.
»Jetzt schwimmt und vergnügt euch!«, sagte seine Frau, als der Hundestreit sich gelegt hatte und die beiden Tiere sich bloß noch gegenseitig beschnüffelten. »Ärgert die Feuerfische nicht, verschlingt keine See-Anemonen, passt auf, dass die Muscheln euch nicht schnappen, und seid zum Abendessen wieder da.«
»Bitte, ich kann nicht schwimmen«, sagte Rover.
»Liebe Güte! Wie ärgerlich!«, sagte sie. »Also Pam« – sie war bis jetzt die Einzige, die ihn unverblümt so nannte –, »hier ist endlich etwas, das du wirklich tun kannst!«
»Gewiss, meine Liebe!«, sagte der Zauberer, ängstlich bestrebt, ihr zu gehorchen, und erfreut, zeigen zu können, dass er wirklich über einige Zauberkräfte verfügte und kein gänzlich nutzloser Beamter (in der Meer-Sprache nannte man sie Napfschnecken) war. Er nahm einen kleinen Stab aus seiner Westentasche – in Wirklichkeit war es sein Füllfederhalter, doch er taugte nicht mehr zum Schreiben: Das Seevolk benutzt eine absonderliche, klebrige Tinte, die in Füllfederhaltern überhaupt nicht zu gebrauchen ist –, und er schwenkte ihn über Rover.
Artaxerxes war, des ungeachtet, was einige Leute über ihn gesagt haben, auf seine Art ein sehr guter Zauberer (sonst hätte Rover nicht alle diese Abenteuer mitgemacht) –seine Kunstfertigkeit war geringerer Art, brauchte aber dennoch eine gewisse Übung. Jedenfalls begann sich Rovers Schwanz bereits nach dem ersten Schwenken in eine Flosse zu verwandeln, seine Füße bekamen Schwimmhäute, und sein Fell wurde mehr und mehr zu einer Gummihaut. Als die Umwandlung abgeschlossen war, gewöhnte er sich rasch an sie; und er fand, dass es viel einfacher war, schwimmen zu lernen als fliegen, und dass es fast genauso angenehm und nicht so ermüdend war – es sei denn, er wollte landen.
Kaum hatte Rover seine Schwimmkünste im Ballsaal ausprobiert, als er bereits nach dem Schwanz des anderen Hundes schnappte, natürlich im Spaß; aber ob Spaß oder nicht, es gab fast auf der Stelle einen Kampf, denn der Meer-Hund war ein bisschen überempfindlich. Rover konnte sich nurretten, indem er so rasch wie möglich fortschwamm; und er musste dazu behende und flink sein. Ihr könnt mir glauben, das war eine wilde Jagd: hinein in die Fenster und hinaus, durch
Weitere Kostenlose Bücher