Roverandom
beobachten.
Alles, was der Zauberspruch bewirkte, war, dass die Seeschlange einen bösen Traum bekam: Sie träumte, sie sei über und über mit Entenmuscheln bewachsen (sehr ärgerlich und zum Teil zutreffend) und werde langsam in einem Vulkan gebraten (sehr schmerzhaft und unglücklicherweise reine Einbildung). Und davon wachte sie auf!
Vermutlich war Artaxerxes’ Zauber besser als angenommen. Jedenfalls kam die Seeschlange nicht heraus – zum Glück für diese Geschichte. Sie legte ihren Kopf dahin, wo ihr Schwanz war, und gähnte, riss ihr Maul so weit auf, wie es die Höhle erlaubte, und schnaubte so laut, dass jedermann in den Kellern aller Königreiche des Meeres sie hörte.
Und die Seeschlange sagte: »Hört mit diesem UNSINN auf!«
Und sie fügte hinzu: »Wenn dieser verdammte Zauberer nicht auf der Stelle nach Hause geht und aufhört, weiterhin so im Meer herumzuwatscheln, werde ich RAUSKOMMEN; und dann werde ich ihn zuerst fressen, und dann werde ich alles kurz und klein schlagen. Das ist alles. Gute Nacht!«
Und Mrs. Artaxerxes karrte ihren Mann, der einen Ohnmachtsanfall erlitt, heim.
Nachdem er sich erholt hatte – und das ging rasch, dafür wurde gesorgt –, befreite er die Seeschlange von dem Zauberbann und packte seine Sachen; und alle Leute riefen laut:
»Schickt den PAM weg! Wir sind froh, wenn wir ihn los sind! Das ist alles – lebe wohl!«
Und der Meerkönig sagte: »Wir wollen dich nicht verlieren, doch wir glauben, du solltest gehen.« Und Artaxerxes kam sich insgesamt sehr klein und unbedeutend vor (was gut für ihn war). Sogar der Meer-Hund lachte über ihn.
Aber, so komisch es sich anhört, Roverandom war ganz außer Fassung. Schließlich war er aus gutem Grund davon überzeugt, dass Artaxerxes’ Zauber nicht ohne Wirkung war. Und immerhin hatte er den Haifisch in den Schwanz gebissen. Und er hatte mit seinem Biss in die Hose die ganze Sache in Gang gesetzt. Und er gehörte selber zum Land und hatte das Gefühl, es sei ein bisschen hart für einen armen Landzauberer, von diesem Meervolk gepiesackt zu werden.
Jedenfalls ging er zu dem alten Burschen und sagte: »Bitte, Mr. Artaxerxes ...!«
»Ja?«, sagte der Zauberer ganz freundlich (er war so froh, nicht PAM genannt zu werden, und hatte seit Wochen kein ›Mr.‹ gehört). »Na, was gibt es, kleiner Hund?«
»Ich bitte um Verzeihung, wirklich. Tut mir schrecklich leid, meine ich. Ich hatte nie die Absicht, Ihrem Ruf Schaden zuzufügen.« Roverandom dachte an die Seeschlange und an den Haifischschwanz, doch Artaxerxes meinte (zum Glück), er spreche von seiner Hose.
»Aber, aber«, sagte er. »Wir wollen nicht mehr davon sprechen. Schwamm drüber. Ich denke, wir beide tun besser daran, zusammen heimzukehren.«
»Aber bitte, Mr. Artaxerxes«, sagte Roverandom, »könnten Sie sich die Mühe machen, mir meine richtige Größe zurückzugeben?«
»Gewiss doch!«, sagte der Zauberer, der froh war, jemanden zu treffen, der trotz allem glaubte, dass er überhaupt etwas zustande bringen konnte. »Gewiss! Aber in deiner jetzigenGestalt bist du, solange du dich hier unten aufhältst, am besten und sichersten aufgehoben. Lass uns erst einmal von hier verschwinden! Und im Augenblick bin ich wirklich und wahrhaftig beschäftigt.«
Und er war wirklich und wahrhaftig beschäftigt. Er ging in seine Werkstatt und suchte seine Utensilien, Ehrenzeichen, Symbole, Notizbücher, Rezeptbücher, Elixiere, Apparate und Beutel und Flaschen mit verschiedenartigen Zaubern zusammen. Alles, was brennbar war, verbrannte er in seiner wasserdichten Esse; und den Rest warf er in den Garten hinter dem Palast. Später trugen sich dort außergewöhnliche Dinge zu: Alle Blumen wucherten wie verrückt, das Gemüse wurde riesengroß, und die Fische, die es fraßen, wurden inSeewürmer verwandelt, in Seekatzen, Seekühe, Seelöwen, Seetiger, Seeteufel, Meerschweine, Dugongs, Kopffüßer, Lamantinen und Kalamiten oder bloß vergiftet; und Phantome, Visionen, Illusionen und Halluzinationen schossen so üppig ins Kraut, dass niemand im Palast Frieden finden konnte und die Leute gezwungen waren, auszuziehen. Tatsächlich fingen sie an, die Erinnerung an diesen Zauberer in Ehren zu halten, nachdem sie ihn verloren hatten. Doch das war viel später. Im Augenblick drängten sie ihn lautstark zur Abreise.
Als alles bereit war, verabschiedete sich Artaxerxes vom Meerkönig – ziemlich kühl; und nicht einmal den Meer-Kindern schien es etwas auszumachen, denn er war so
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