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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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ihn.
    Und ob denn überhaupt noch von Gleichheit die Rede sein könne zwischen ihm und Soliman, erhoben Eitelkeit und Wein den trunkfesten Denker über alle Schranken. Da doch der Kaiser sich einer Frau überlasse, die er, Ibrahim, nie in seinem Harem geduldet hätte? Sie, diese Frau, sei in Wahrheit der Prüfstein, an dem sich sein und Solimans Wert erweisen müsse. Unschön und wenig weiblich solle sie sein. Doch das sage man so, und von Angesicht kenne er sie nicht. Sie habe es ja niemals für nötig erachtet, ihn zu empfangen, empörte er sich noch nachträglich. Doch was bedeute das? Nichts. Er habe die Macht, auch das zu tun: Nun gerade wolle er sie sehen! Und er werde sie sehen!
    Bis an den Rand füllte Ibrahim seinen Kelch.
    Dieser Messer Baffo sei doch ein grundgescheiter Bursche gewesen, schmunzelte er. Die italienischen Werkleute, die den Geheimgang zum Bad als eine kleine Überraschung für den Bauherrn gemauert haben, seien schon wieder fort. Auch Baffo habe es nicht länger in Konstan-tinopel gelitten. Und so wisse nur er, Ibrahim selbst, um den Scherz. Doch ob Scherz oder nicht - jedes Geheimnis gebe Macht, so auch dieses!
    Er goß den Branntwein hinunter und stellte das Glas so hart auf den Tisch, daß es brach.
    Dann tastete er sich mit Entschlossenheit zur Tür.
    Ihm selbst war, als schwebe er.
    Endlich wollte er sehen, um zu wissen, wer mehr zu gelten habe: er oder Soliman.
    Der Kaiser oder sein Knecht.
    Die Häuser türkischer Großer waren eifersüchtig gehütete private Bezirke und kehrten ihre Pracht unerbittlich nach innen. Der Außenwelt zeigten sie nur abweisend hohe Mauern mit spärlichen oder gar keinen Fenstern, höchstens daß ein schönes Tor den Reichtum und Rang des Besitzers andeutete.
    Dahinter blühten dann bunte Welten.
    Baumäßig gesehen war so ein Haus jedesmal eine Anhäufung der verschiedenartigsten Gebäude, die je nach den Bedürfnissen eins zum andern gekommen waren.
    Das ergab sich schon aus der Rechtslage.
    Alleiniger Grundeigentümer war immer der Staat. Der Baugrund wurde ebenso wie alle Landgüter nur auf Lebenszeit verliehen und fiel nach dem Tode des Inhabers mit allen darauf errichteten Gebäuden wieder der Krone anheim. Dadurch erklärten sich dann die vorwiegende Verwendung von Holz und daraus wieder die häufigen Feuersbrünste. Denn wenn ein Privatmann etwas Großartiges und Dauerndes bauen wollte, baute er eine Moschee, eine Schule oder ein öffentliches Bad. Und obwohl Ibrahims Haus wenigstens zu einem Teil als öffentliches Gebäude angesehen werden mußte, war es auch nur eine allerdings überaus reizvolle architektonische Wildnis.
    Daß es nun bei so einer Hausanlage immer irgendwo etwas zu richten gab, verstand sich von selbst, und so hatte es denn auch gar keine Schwierigkeit bereitet, den Einbau des geheimen Ganges völlig unbemerkt vorzunehmen. Nicht einmal dem Hausherrn war etwas davon bekannt gewesen, bis Messer Baffo ihm eines Tages lächelnd die öffnenden Griffe gezeigt und ihn hindurchgeführt habe.
    Der Gang verband die Rückwand eines Schranks in Ibrahims berühmter Handschriftensammlung mit einem Spiegel des Schmuckraums, der an den Kuppelsaal stieß und Esmas eigenem Gebrauch Vorbehalten war. Ein in den Spiegel eingelegtes Ornament war jedoch so kunstvoll aus Spiegelglas und Goldbändern gefügt, daß es jedem, der draußen auf dem Gang stand - und das konnte immer nur Ibrahim sein -, ungesehen einen Einblick gestattete, ehe er das Gemach betrat.
    Hierbei war das gleiche Verfahren angewandt worden, wie wenige Schritte davon bei jenem Fenster, von dem aus zuvor Roxelane den Kuppelsaal übersehen hatte und Ibrahim ihn jetzt übersah.
    Nur war das Bild bewegter geworden.
    Es wurde gelaufen und gesprungen. Laute einer lustvollen Angst, wie sie das Spiel hervorrief, wechselten mit Gelächter. Auf dem Rand des Beckens aber saßen wasserspritzende Gestalten. Einige von ihnen drangen kühn in den Strahl der Fontäne ein und ließen die Umrisse ihrer Körper mit dem strömenden Wasser zerfließen.
    Doch so zur Anmut erzogen waren diese Mädchen, so zur Natur war ihren beherrschten Gliedern und Stimmen das Gesetz von Linie und Ton geworden, daß kein Erschrecken, kein Übermut und keine Lust ihnen einen grellen Laut oder eine platte Bewegung zu entreißen vermochten.
    Ibrahim empfand das noch im Rausch.
    Das Bild dieses Saales war allerdings zu erfüllt und zu reich, als daß seine Blicke beim ersten Erfassen an Einzelheiten hätten haften können.

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