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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Geschichtsschreibern geben! Gerade jetzt mochten die österreichischen Gesandtschaftssekretäre wohl fieberhaft daran arbeiten, um jedes einzelne seiner heutigen Worte auf das genaueste zu registrieren, und die Worte, die noch in Jahrhunderten zu lesen sein würden, seien keine anderen gewesen als diese:
    „Mein Herr, der einzige Kaiser, ist wie ein brüllender Löwe, der nach der Art gewaltiger Herrscher zerreißt, was ihm vorkommt. Ich aber, der ich sein Lager teile und dieselben Kleider trage wie er -ich habe ihm mein Joch auferlegt und lenke ihn mit dem Zügel der Weisheit und der Gerechtigkeit. Ich regiere das große Reich. Was ich tue, ist getan. Denn alle Macht ist bei mir. Ich verteile die Ämter, ich vergebe die Länder. Was ich gebe, ist gegeben - was ich nicht gebe, ist nicht verliehen. Und wenn auch der große Padischah etwas geben wollte oder gegeben hätte, und es beliebte mir nicht - so wäre es nicht verliehen. In meinen Händen liegt alles: Reichtum und Macht, Krieg und Frieden.“
    Und nun war er schließlich soweit, daß er sich fragte, ob denn wirklich noch ein Unterschied zwischen Soliman und ihm sei, zwischen dem Sklaven und dem Sohn einer Sklavin?
    Was Soliman ohne ihn wohl wäre, stellte er sich vor und kraulte nachdenklich seinen gepflegten Vollbart, den er sich nach Solimans Beispiel hatte wachsen lassen.
    Wohl sei Solimans Neigung zur Verbesserung der Gesetze anzuerkennen; aber die Arbeit von allem überlasse der Kaiser wohlweislich seinem Wesir! Dieser täglichen aufreibenden Arbeit im Diwan, die ein großes Reich nun einmal nicht entbehren könne, ziehe Soliman die Jagd und andere Zerstreuungen bei weitem vor, und so sei er beim großen Janitscharenaufstand denn auch wieder einmal zur Unzeit auf der Jagd gewesen! Schon habe die Angelegenheit eine böse Wendung zu nehmen gedroht, da der bedauerliche Vorfall natürlich sofort von dieser Roxelane aufgegriffen worden sei, um sich selbst in den Vordergrund zu drängen. Nur seine, Ibrahims, rasche Rückkehr aus Ägypten habe Schlimmeres verhüten können.
    Und wie sei es bei der Sache des Kabiz gewesen?
    Dieser gute Professor habe gelehrt, daß der Vorgänger Jesus höher als der Prophet Mohammed zu schätzen sei.
    Was wolle das schon besagen?
    Er, der Großwesir, habe recht getan, in diesem Fall Kläger und Beklagte aus dem Diwan zu weisen, denn wohin man komme, wenn die Politik sich in theologische Zänkereien mische, könne man an den verworrenen Zuständen des Abendlands ermessen. Höchst schädlich sei Solimans Eingreifen gewesen, und nicht nur, weil Kabiz darüber sein Leben verloren habe, sondern weil ein solches Hineinregieren die Autorität des Großwesirs schwächen müsse, ohne die des Padischahs zu erhöhen.
    Jetzt freilich komme so etwas nicht mehr vor, und aus diesem Grunde könne und werde er den Kaiser auch allen Spießern zum Trotz dahin bringen, mit seinem Großwesir in das Haus des Christen Gritti zu gehen, um dort und an keinem anderen Ort die Friedensbedingungen zu besprechen. Den Leuten müsse endlich einmal gezeigt werden, daß nunmehr ein anderer, ein moderner Zug in der Regierung herrsche. In der Regierung Ibrahims.
    Alles bewirke und überwache er in Person, einen Brückenschlag und einen Flußübergang des Heers oder die Unterdrückung eines Aufstands wie den des Derwischs Kalenderoghlu. Nichts sei ihm zu gering oder zu schwer, sich damit zu befassen, wenn es das Wohl des
    Reiches verlange. Wesir heiße Lastträger, und sei der nicht der wahre Herrscher, der die Last der Herrschaft trage?
    Und der sei er, Ibrahim, der eine Kaisertochter in den Armen halte und sich dennoch bewahrt habe und nicht Bettsklave der Purpurgeborenen geworden sei. Soliman aber verschenke sich an eine Roxelane.
    So sah Ibrahim Soliman, so sah er Roxelane, so sah er sich selbst. Mit Augen gesehen hatte er freilich Roxelane nie, auch nicht hinter Vorhängen und Schleiern, die wenig verbargen. Er kannte sie nur durch Esma.
    Aber gerade deren begeisterte Schilderungen und daß er Roxelane seine Prinzessin und seine Herrschaft verdanken sollte, hatten ihn gegen die Frau des Freundes allmählich immer mehr aufgebracht. Je höher er gestiegen und je unerschütterlicher seine Stellung geworden war, um so mehr hatte seine Eitelkeit unter Roxelanes bloßem Dasein gelitten.
    Vor einer Stunde wenigstens war das alles noch so gewesen. Inzwischen freilich hatten seine Eitelkeit und der Wein einen Ausweg gesucht, und jetzt, in diesem Augenblick, fanden sie

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