Roxelane
in den Diwan geführt hatte, um dem Kaiser die Hand zu küssen, wurde ihm die Statthalterschaft Saruchan mit der Hauptstadt Magnesia verliehen, und jedermann hätte ihn nun eigentlich für den Schahzadey, den vom Padischah gesetzten Thronerben, halten müssen. Mustafas Mutter, Saffieje Sultana, ließ jedenfalls schon zur Reise nach Magnesia rüsten, um sich dort am Hof ihres Sohnes als künftige Walide gleichsam einzuüben. Andere dachten an Roxelanes Söhne und waren weniger voreilig.
In Wirklichkeit hatte Soliman im Gefühl seiner eigenen Jugend auch gar nichts über den Thron bestimmt. Er glaubte nur, seinem ältesten Sohn dieselbe Möglichkeit zur Bewährung geben zu müssen, wie sein eigener Vater sie ihm auch gegeben habe.
Zwar war ihm der Tod auf seinen Feldzügen oft sehr nahe gewesen. Aber noch dachte er nicht an ihn. Und im übrigen verließ er sich auf den Eid, den er später einmal - viel später - seine Söhne schwören lassen wollte.
Wer von ihnen auch den Thron besteige, solle weder das Leben noch die Freiheit der Brüder antasten; jeder Prinz aber sich verpflichten, den Padischah, seinen Bruder, zu lieben und ihm zu gehorchen.
Dies sollten Solimans Söhne dem Vater schwören. Und außer einem seien sie ja auch alle von derselben Mutter, von Roxelane, dachte Soliman; Mustafa aber habe ein gütiges Herz.
Er hätte auch etwas anderes denken können.
Daß ein Fetwa, ein geistliches Gutachten, sich oft genug dem angepaßt habe, was gerade für die politische Notwendigkeit gehalten worden sei, hätte er denken können. - Doch trotz aller Menschenkenntnis und Schärfe des Verstandes vertraute er rückhaltlos, wo er liebte. Und seine Kinder liebte er.
Vor allem liebte er Roxelane.
Seit jenem Fest jedoch in Esmas neuem Bad hatte sie ihn nicht mehr empfangen.
Er aber ehrte ihren Kummer, obwohl er ihn für unbegründet hielt, und wartete schweigend.
Ebenso schweigend nahm Ibrahim den Schlag hin, der ihn zu derselben Stunde traf, die seine Allmacht offenbaren sollte. Wenn er schon nicht selbst der Kaiser sein konnte, so wollte er doch wenigstens den künftigen Kaiser machen, und der hatte Mustafa sein sollen. Aber ein Gegenzug Roxelanes stellte alles wieder in Frage.
Denn am Vorabend des Tages, an dem durch festlichen Staatsakt Sultan Mustafa Khan mündig erklärt und zum Beglerbey ernannt wurde, war unter dem kaiserlichen Siegel der Obersthofmeisterin eine Verfügung erlassen worden, die nunmehr ein riesiges Aufgebot von Leibwachen, Pagen, Eunuchen und Hofdamen mit den dazu gehörigen Pferden und Karossen auf die Beine brachte.
Ihre kaiserlichen Hoheiten, Roxelane Sultana und Dero erstgeborener Prinz, Sultan Mohammed Soliman Khan, geruhten, sich auf Besuch ins Alte Serail zu begeben.
Und dieser Staatsbesuch, der niemand anderm als Ibrahims unerbittlicher Feindin, der Sultana Walide, galt, erfolgte genau im gleichen Augenblick, als Mustafa in den großen Diwan eingeführt wurde.
Das Neue Serail befand sich in einem Zustand der Bestürzung, Konstantinopel, das Roxelanes glänzenden Zug bemerken sollte und sah, in dem größter Überraschung.
Die Janitscharen aber, die den Ibrahim ohnehin nicht liebten, merkten auf.
Über den Großwesir hinweg näherten sich die beiden ersten Damen des Reichs: Roxelane und Hafsa Chatun.
Nur wenige wußten, daß diese Begegnung das Ergebnis einer stürmischen diplomatischen Tätigkeit der letzten Tage war.
Bolil als Kapu Aga freilich war der Person Solimans amtlich zu sehr verbunden, als daß er die Leitung der Verhandlungen offen hätte übernehmen können. Doch Roxelanes Vertrauter hatte die Entwicklung vorausgesehen und, um nicht selbst ihr Opfer zu werden, seit geraumer Zeit sehr nützliche Verbindungen zum Alten Serail angeknüpft.
Nachdem dann über die Eröffnung der Feindseligkeiten durch Ibrahim kein Zweifel mehr möglich gewesen war, hatten diese Verbindungen von nachgeordneten Persönlichkeiten weitergeführt werden können, bis schließlich der Lala der Walide und Ihre Exzellenz die Kiajai Harem, die Obersthofmeisterin Dede Semid, in einem Schlußprotokoll den Besuch und alle dabei einzuhaltenden Zeremonien hatten festlegen können.
Und jetzt küßten die Wesire zwar dem Prinzen Mustafa im Diwan die Hand. Aber zu gleicher Zeit stand Roxelane vor ihrer Schwiegermutter.
Die beiden Frauen waren allein.
Vor der öffentlichen Audienz hatte Hafsa Chatun eine Besprechung unter vier Augen gewünscht.
Sie war noch keineswegs sehr alt — noch nicht einmal
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