Roxelane
Dann freilich begann er beglückt bei Körperformen zu verweilen, zu denen ihm die Gesichter schon bekannt waren, oder bei einer Fremden, die nicht zum Hofstaat seiner Frau gehörte und ihm das anregende Rätsel aufgab, wer sie wohl sein möge. - Doch auch dabei waren seine Sinne immer nur auf ein genießerisches Schauen und auf eine ganz allgemeine Freude am andern Geschlecht gestimmt. Erst mit Roxelanes Erscheinen ergriff ihn das Gefühl eines Menschen zu einem ganz bestimmten andern, das Gefühl eines Mannes zu einer Frau.
Mit einem Körper, der noch triefte und glänzte, kam sie aus dem Schwimmbad. Ihr Haupthaar lag, von der Nässe gedunkelt, wie ein schweres Tier auf ihrer Brust und ergoß seine Nässe über ihren Rücken und ihre Brust. Als Rothaarige war sie unter den Weißhäutigen die weißeste, schien sie mehr Frau zu sein als die andern —
so hoben sich Brustmale und Haare von ihrer Haut ab.
Ibrahim hatte Roxelane nie gesehen. Aber es gab nur eine Roxelane hier, und die war sie, die vom Becken heraufkam.
Und nur dies eine Gesicht konnte es hier wagen, so betonte Backenknochen und solche Zähne zu haben. Offensichtlich waren diese Zähne durchaus keine Zähnchen und keine Perlen - dazu blitzten sie zu bißfreudig und zu gesund. Dies Gesicht mit Augen von einem so seltsamen Blau konnte nur ihr gehören, Roxelane. Wie auch dies Schreiten von einer so frauenhaft mütterlichen und doch auch wieder mädchenhaften Bestimmtheit Roxelanes Gang sein mußte.
Nur einen Augenblick sah Ibrahim sie. Dann verschwand sie nach links, wohin ihr seine Blicke nicht folgen konnten.
Er erwachte. Das also war Solimans Frau.
Daß sie es war, empfand er als Niederlage.
Denn nun begriff er Soliman und fühlte urplötzlich eine doppelte Eifersucht auf sie und auf ihn. Und es sei gut gewesen, überfiel ihn sein rascher Geist, daß er sie bis heute nie gesehen habe. Und es würde besser sein, wenn es auch heute nicht geschehen wäre. - Aber zugleich sagte er sich auch, daß seine Freundschaft mit Soliman alt und tief und seine Übereinstimmung mit ihm groß genug seien, um in diesem Fall wie der Freund empfinden zu müssen.
Über allem jedoch stand dies eine fest: Es gab etwas, das er nicht haben konnte und doch begehrte. - Roxelane.
Und er hätte nicht er selbst sein müssen, um ihr nun nicht vollends feindlich zu sein.
Ibrahim fühlte sich verletzt und war auf eine Vergeltung aus.
Denn wenn auch nicht Roxelane, so gehöre ihm doch Soliman. Der aber solle von jetzt ab nur noch für ihn sein, schwor er sich zu. Und was sie wohl mehr von Soliman entfernen könne als Mustafas Anwartschaft auf den Thron?
Damit wollte er den Eindruck abtun und sich zurückziehen.
Doch gerade jetzt wurde die Klinke niedergedrückt, nur daß er noch eben den Riegel hatte vorschieben können.
Er hielt den Atem an.
Draußen stand Roxelane.
Nur durch die Tür getrennt stand sie vor ihm.
Sie war nackt.
Obwohl er wie ein Fuchs im Fangeisen saß, empfand er das immer noch.
Aber nun würde sie die Klinke loslassen und fragen, wer die Tür verschlossen habe. Dabei würde sie sich einige Schritte entfernen. Im Nu wäre der Riegel zurückgezogen und er selbst verschwunden. Nichts würde dann gewesen sein als eine Tür, die sich geklemmt habe.
Doch sie gab die Klinke nicht aus der Hand.
Er sah ihr Gesicht, das Zittern ihrer Brüste, von ihrer Schulter glitten die Haare.
Roxelane rüttelte an der Tür, und schon näherten sich mehrere Damen.
Unmöglich konnte Ibrahim bleiben, wo er war.
Mit einem Schlage war er nüchtern und wurde sich seiner jämmerlichen Lage bewußt, die er nicht durch einen Machtspruch meistern konnte.
Doch sofort beruhigte er sich wieder, daß er ja längst fort sein würde, wenn man das Zimmer erbräche.
Geräuschlos zog er sich hinter den Spiegel zurück, und ... das Zimmer war leer.
24
Nino hatte die Wahrheit gesagt. Am 9. März 1533 wurde Sultan Mustafa Khan in feierlicher Audienz von seinem Vater empfangen. Ajas Pascha, der als Beglerbey vor Rhodos abgesetzt worden war, hatte es später doch noch bis zum Wesir gebracht. Er war es, der dem Prinzen den Steigbügel hielt. Der Großwesir Ibrahim bekleidete den Sohn seines Herrn mit dem Kaftan.
Fünfzehn Jahre war Mustafa alt und ein hübscher Junge. Die Formen seines Gesichts und sein langer Hals machten ihn seinem Vater ähnlich, nur daß seine Haut immer noch ebenso weiß war wie die seines Vaters von ausgesprochen bräunlicher Tönung.
Nachdem man den Prinzen
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