Roxelane
Ehrerbietung hatte der stolze Botschafter dem Großwesir demütig das goldene Staatskleid geküßt und ihn dann in seiner feierlichen Werbungsrede als Bruder des Römischen Königs in Wien und als Vetter Kaiser Karls des Fünften angesprochen.
Trotzdem war Ibrahims Erklärung erfolgt, daß es nur einen Gott und nur einen Kaiser gebe, und der Kaiser sei Soliman, Gott aber sei Allah und nichts außer ihm. - Und auch in anderer Hinsicht war Karl der Fünfte nicht seines Vetters Ibrahim Kritik entgangen. Der König von Spanien, der sich Kaiser nenne, hatte Ibrahim geäußert, sei seiner Christenheit noch immer das versprochene Kirchenkonzil schuldig, so daß er, Ibrahim, sich eines Tages noch zur Wiederherstellung der europäischen Ordnung genötigt sehen werde, selbst Frieden zu stiften. Er werde den Luther auf die eine, den Papst auf die andere Seite setzen und, falls des Redens kein Ende werden sollte, einen Machtspruch fällen.
In diesem großen Augenblick hatte Ibrahim nichts als die Gegenwart Solimans zu seinem Glück noch gefehlt.
Niemals dachte er in seinen Triumphen an einen anderen Menschen, auch nicht an Esma und überhaupt an keine Frau, immer an Soliman. Dabei war ihm Esma keineswegs gleichgültig.
Schon als kaiserliche Prinzessin war sie es nicht, und obendrein fesselte ihn Esmas zierliche Anmut ungemein.
Dennoch sah er ihren Körper immer nur mit dem gleichen Wohlgefallen. wie er etwa einen edlen Stein oder sonst etwas Schönes, also auch die Körper anderer hübscher Mädchen, angesehen hätte. Einer der Gründe zur Erbauung des Prachtbades war sogar der Gedanke gewesen, mit ihm bei Esma und ihrem überaus reizvollen weiblichen
Hofstaat eine neue Badelust zu entfachen, zu deren Festen hinzugezogen zu werden er gewiß sein konnte. Denn wenn die Herrin einwilligte, gehörten alle Mädchen, die unter ihrer Hand waren, auch ihm. Und mochte Esma noch so eifersüchtig sein - zuletzt konnte sie ihm nie etwas versagen.
Zwar ging er dem Anblick nackter Jünglinge ebensowenig aus dem Wege, und wenn ihm die sonst so verbreitete Leidenschaft für Lustknaben auch vollkommen fehlte, so leugnete er doch gar nicht, daß ihm ein gut aussehender Page besser im Zustande der Natur als in Hofgala behage.
Seine körperlichen Regungen dagegen galten ausschließlich den Frauen.
Ohne die geringste Absicht, seiner Esma untreu zu werden, sah er daher nicht ein, warum ihn die Ehe gerade des Vergnügens an hübschen Mädchen berauben sollte, ergötzte er sich doch auch an allem andern, was ihm gefiel, selbst an Statuen und Gemälden, die der Koran doch verbot, was man von den Mädchen nicht einmal sagen konnte. Alles, was diese Erde an Schönem trug, gehöre ihm! Untreue gegen Esma freilich verbot ihm die Staatsräson, die ihm jedenfalls mehr als der Koran bedeutete.
Außerdem hatte Esma für ihn auch vor jeder anderen Frau den Reiz, daß sie einer Kette von Kaisern entstammte und Solimans Schwester war.
Wenn er die Schwester umarmte, fühlte er sich dem Bruder gleich. In ihr umarmte der Fischersohn die Macht und die ganze Vornehmheit eines alten Geschlechts.
Ibrahim schloß genießerisch die Augen, während er trank.
Selbst wenn seine Esma weniger reizend wäre, würde er sie höher schätzen als alle anderen, empfand er in Rührung über sich selbst. Und dabei fischte er aus der Türkisschale einen Stein heraus.
Es war ein Diamant von unregelmäßiger Form und gröbstem Schliff, und Ibrahim hätte nicht einmal sagen können, ob er echt sei. Aber der Stein sollte aus Kaiser Karls des Großen Krone stammen, und so hatte der Pascha ihn teuer bezahlt. Er schätzte ihn höher als den Stein, den Papst Clemens der Mediceer aus Geldnot hatte veräußern müssen.
Für den Zauber einer großen Vergangenheit hatte der Sohn der Stunde Sinn.
Wie freilich Soliman, bedauerte Ibrahim dann den irregeleiteten Freund, von allen Edelsteinen seines Harems sich den geringsten von unbekannter Herkunft habe herauslesen, wie der Padischah diese Roxelane zu seiner Einzigen habe machen können - das begreife wer wolle, er, Ibrahim, begreife es nicht.
Hiermit glaubte er nichts als die Wahrheit zu denken und hätte sich über den Verdacht, auf Roxelane eifersüchtig zu sein, sehr entrüstet gezeigt. Verglichen mit seiner eigenen Bedeutung schlug er ihre nur gering an. Wer sei sie? Seine Meinung war: eine Haremsdame, die nach ihrem Tode bald vergessen sein würde. Was für ein gewaltiges Thema werde dagegen er, der große Ibrahim, künftigen
Weitere Kostenlose Bücher