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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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begreife ihn recht gut“, erklärte ihre Widersacherin mit einer Härte, die gegen jedes Mitleid gewappnet war. „Bei der Überquerung der Mur sind mehrere Dutzend aus der Begleitung meines Sohnes ertrunken. Soliman schwamm hinüber und erreichte das andere Ufer. Aber ebensogut hätte ihn das Los seiner Begleiter treffen können. - Haben Sie noch niemals daran gedacht, daß Sie dann eines Tages Walide wären? Es würde immerhin möglich sein, und Sie haben daran gedacht! Aber vielleicht vergaßen Sie, daß Ibrahim in einem solchen Fall mit Ihnen redinen müßte?“
    „Ich war ihm niemals feindlich gesinnt“, beteuerte Roxelane.
    „Die Eitelkeit solcher Männer erträgt lieber Feindschaft als Abhängigkeit“, entgegnete Hafsa Chatun. „Und eines Tages wird Ibrahim sich auch gegen seinen Herrn wenden. Vergessen Sie das nicht!“ „Aber ich bin eine Frau!“
    „Jawohl, Sultan Solimans Frau. Und Sie teilen nicht nur sein Bett, sondern auch seine Arbeit. - Schweigen Sie!“
    Wie eine silberne Göttin saß die Weißhaarige da. Denn auch ihre Gewänder waren von einem leuchtenden Grau. ,Wie eine Sibylle der Römer!' mußte Roxelane denken.
    „Schweigen Sie“, wiederholte die Walide milder. „Ich wünsche zu reden.“ Einen Augenblick ließ sie sich noch Zeit.
    „Ich spüre Ihre Hand in allem“, fuhr sie dann fort. „Es war sehr klug, nach dem Janitscharen- Aufstand wenigstens einem Teil der Leute das Recht zum Heiraten zu geben. Ehe und Kinder werden sie künftig willfähriger machen. Wie es auch gut war, die Kurudschi und Oturak einzurichten, die Korps der Veteranen und Invaliden mit dem Vier- bis Fünfzehnfachen des Höchstgehalts der Aktiven. Die Jungen werden besser kämpfen, wenn sie wissen, daß sie geehrt und wohlhabend sein werden im Alter. Auch war es höchste Zeit, Ordnung in die Timare und Siamets zu bringen. Der Grund unter unsern Füßen ist der sicherste Schatz des Reichs. Wir brauchen ihn, um unser Heer zu erhalten und zu belohnen. Aber geackert wird der Boden nicht von den Lehensträgern, unsern Kriegern, sondern von den ungläubigen Rajahs, die von den Waffen und der Heeresfolge ausgeschlossen sind. Sie dürfen nicht bedrückt werden, soll nicht alles zugrunde gehen. Und ebenso muß auch das Volk gegen die Krämer und Händler geschützt werden, und niemand soll mehr Nutzen als billig aus seiner Arbeit ziehen. Ich billige das. Trefflich sind die Verordnungen gegen die Unsauberkeit, trefflich ist es, auf die Preise für Nahrung und Kleider und auf die Löhne zu achten. Denn das ist dem Volke heilsam und angenehm. Und ebenso ist es recht, was für die Wissenschaft geschah, für Baukunst und Dichtung. Fahre so fort und rede mir nicht entgegen! Nicht du brauchst mir zu sagen, daß immer der Padischah alles bewirkt, was geschieht. Er allein ist der Herr! Und der Allerbarmer wird auch deinen Teil am Tun des Kaisers segnen, weil du es nicht auf die Gassen schreist und nicht fremde Gesandte damit beschwatzest, wie es dieser Lotterbube macht, dieser Grieche!“
    Hafsa Chatun hielt inne.
    Ein Husten unterbrach sie. Aber eine Bewegung ihrer schönen und schmalen Hände verbot Roxelane dennoch, sich ihr zu nahen.
    Viel Zeit verstrich, ehe die Walide fortfahren konnte.
    „In einem aber muß ich dich tadeln“, erklärte sie dann. „Ich kenne meinen Sohn als einen Mann strenger Sitte. So bist du es, die dem Gesetz jede Schärfe genommen hat. Vor neunhundertundvierzig Jahren gab es der Prophet. Das ist eine lange Zeit, und so mag es angehen, es zu ergänzen und zu mildern. Und manche der Neuerungen sind auch gut. Aber der Verleumder ist nur zum Schadenersatz verpflichtet? Achtzig Peitschenhiebe befahl der Prophet, und das war gerecht. Denn die Verleumdung frißt mehr Menschen als Gift und Dolch. Und sie frißt die Einigkeit. Wehe dem Volk, wenn falsche Zungen sich straflos ergehen können! Die Verleumder sind Mörder der Ehre. Sie sind so gut Mörder wie die des Leibes und dürfen nicht mit einer Strafe von Wind und Luft belegt werden. Bad u Hawa! Wind und Luft sind deine Strafen für sie. - Und dann die Sitte? Beim Ehebruch kann man sich jetzt mit Geld von der Steinigung lösen? Mit tausend Aspern der Reichste, mit dreißig der Ärmste? Wer eines andern Tochter oder Frau küßt, zahlt einen Asper für den Kuß und ebenso der Weintrinker für den Trunk, und wer sich mit Tieren vergeht für jeden Fall der Betretung? Immer nur Strafen, die keine sind und die mehr anreizen als verhüten!
    Aber ich sehe, daß

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