Roxelane
den Sünden des Eroberers und anderer Vorgänger auf dem Thron eine späte Ernte reift. Fahre nicht fort in diesem Tun, meine Tochter; denn es wird dir von Allah angerechnet werden.“
Jetzt jedoch eilte Roxelane auf sie zu, weil die Greisin in sich zusammenfiel. Roxelane küßte ihre Knie und umarmte ihre Füße. Endlich schlug Hafsa Chatun ihre Augen auf.
„Ich liebe dich nicht“, sagte sie fest. „Ich habe nicht damit begonnen, als es vielleicht noch Zeit gewesen wäre, es zu tun - und nun ist es zu spät geworden. Und ich liebe meinen Enkel Mustafa. Aber seine Mutter Saffieje, die meinem Herzen nahesteht, ist nicht wie du. Sie hat sich nicht gegen dich behauptet, und so wäre sie auch Ibrahim nicht gewachsen. Du aber sollst mir schwören: Da es nun einmal so ist, daß Soliman dich mehr liebt, als er dürfte, so sollst auch du ihn lieben und ihn schützen. Denn wohl ist er klug. Er weiß um die Staaten und weiß, wie sie einzusetzen sind, und den Gegnern die Masken herunterzureißen, ist ihm ein Spiel. Aber er ist, wie sich an dir zeigt, den Frauen ergeben. Bei all seiner Ernsthaftigkeit ist er sanft. Oft zu sanft. Und er vertraut grenzenlos, wo er liebt. Auch dem Ibrahim. - Du jedoch sollst dich nie mehr mit Ibrahim verbünden!“
„Nie“, gelobte Roxelane. „Und ich schäme mich, daß ich es tat.“ „Schäme dich“, nickte Hafsa Chatun. „Wer sich schämen kann, ist auf dem Weg zum Erhabenen. - Und ich habe auch Töchter“, fuhr sie fort, „und unter ihnen ist Tamara unruhig und gefährlich. — Kränke sie dennoch nicht, auch wenn sie dich kränken sollte. Und sie wird es tun, ich weiß es. Saffieje aber schütze. Denn sie hat es schwerer als du. Und laß ihr den Titel ,Chasseki‘. Du brauchst ihn nicht. Du bist die Begünstigte. Laß ihr den Namen.“
„Es wird alles so geschehen, wie du willst.“
Hafsa Chatuns Gedanken versanken im Meer des Vergangenen und Künftigen.
„So wird es wohlgetan sein“, murmelte sie und hob dann den Kopf. „Doch das alles ist nicht schwer. Jetzt aber höre mich an! Du sahst mehr als du solltest. Die Tage und Jahre, da ich um das Leben meines Sohnes Soliman zittern mußte, lasten schwer auf mir. Du weißt es. weil auch du kämpfen mußt. Und in diesem Kampf werde ich bei dir sein, auch wenn du mich nicht mehr sehen kannst. Laß uns Frauen das Gesetz des Eroberers umstoßen, das uns Mütter in den Söhnen bedroht. Und laß uns nicht nur sprechen: ,Das ist wider Menschenrecht und Allahs Gebot', sondern laß uns danach handeln. Dein Handeln aber sei, nicht zu dulden, daß Mustafa ein Leid geschehe. Denn jeder Mutter Sohn ist ein Sohn und jeder Getötete ein Toter. - Ist das ein Eid?“
„Es ist ein Eid.“
„Kein Leid dem Mustafa?“
„Kein Leid.“ „Ich glaube dir. - Und nun ist es gut.“
Die Unterredung war beendet. Roxelane erhob sich und griff ihrer Schwiegermutter unter die Achseln.
Nun stand Hafsa Chatun. Als Roxelane aber auch dann noch, um sie zu stützen, neben ihr blieb, warf die Mutter des Geschlechts ihr einen verweisenden Blick zu.
„Was denken Eure Hoheit von mir?“ zürnte die Walide. „Glauben Sie, o Sultana, ich verstünde meinen Weg nicht zu Ende zu gehen, wie es sich ziemt?“
Zu der öffentlichen Audienz waren alle Hofstaaten der Walide und sämtlicher Prinzessinnen mit Garden, Beamten, Ehrendamen, Verschnittenen und Unverschnittenen vollzählig aufgeboten worden und außerdem bemerkenswerte Gäste erschienen.
Man sah elf Emire, Nachkommen des Propheten in ihren grünen Kopfbünden, den Imam und alle andern Geistlichen der Selimije, der Moschee Selims des Ersten, und dazu alle Muderris, alle Professoren der ihr angegliederten Hochschule.
Unter ihnen befand sich auch der Muderris Ebusuud el Amadi, dem man eine große Zukunft voraussagte.
Auch Scheichs aus den drei großen Derwischorden, aus den Kadri, den Mewlewi und den Begtaschi, fielen auf, besonders die letzten, deren Gründer die Janitscharen gesegnet hatte.
Dann waren noch Männer der Kunst anwesend wie Sinan, der große Baumeister, und von Dichtern die Romantiker Dschilli und Fikri, und auch die beiden ewigen Gegner Chiali und Sati waren da, die es nicht lassen konnten, sich immer wieder gegenseitig zu suchen, nur um miteinander zu zanken.
Sogar der Größte von allen, Baki, den man mit Recht dem Liedersänger Hafis an die Seite stellte, hatte es sich nicht nehmen lassen, der hohen Versammlung den höchsten Glanz aus jener Welt zu verleihen, der auch Hafsa Chatun
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