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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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selbst angehörte.
    Damit war zugleich alles geschehen, daß dem gespannt harrenden Volk keine der Einzelheiten des großen Ereignisses vorenthalten werden konnte.
    Und es begab sich, daß Roxelane Sultana der Walide die Hand, ihr ältester Sohn, Sultan Mohammed Soliman, seiner Großmutter das Gewand küßte und daß des Kaisers erhabene Mutter ihrer Schwiegertochter den Kuß auf die Wange, dem kleinen Prinzen aber auf den Mund zurückgab.
    Darauf erhob sich die Walide, legte ihren Arm um den Enkel und sprach den Segenswunsch des langen Lebens über ihn: „Langes Leben dem Sultan Mohammed Soliman Khan!“
    Und: „Langes Leben dem Sultan Mohammed Soliman Khan!“ wiederholte die Versammlung unter ehrerbietigem Verneigen, was sowohl ein Gelübde wie ein Programm war.
    Drei Wodien später starb Hafsa Chatun Sultana.
    Die Totenfeier fand in Anwesenheit des Kaisers, der kaiserlichen Familie, des Hofes, der Großwürdenträger und Generäle und aller hohen Ulema von Konstantinopel in der Selimije statt.
    Der silberne Riesenleuchter der Kuppel und an zweitausend Lampen verklärten das Heiligtum.
    Der Sarg stand in der großen, nach Mekka gerichteten Nische. Zu seinen beiden Seiten brannten in Kandelabern zwei mannsdicke Kerzen.
    Dort verlas der Muderris Ebusuud nach dem letzten Willen der Verblichenen das Testament.
    Nach frommen Stiftungen für die Kaaba zu Mekka, für die Errichtung eines öffentlichen Bades und einer Schule wurden Mitglieder des Hofstaates der Erblasserin und alle Angehörigen der Kaiserfamilie bedacht - nur Mohamed Soliman nicht, Roxelanes ältester Sohn.
    „Alles habe ich nun fortgegeben“, hieß es dann, „und meine Hände sind leer. Von allem, was mein war, bleibt nichts mehr für dich, Sultan Mohammed Soliman Khan. Du sollst wissen, mein Kind, daß es Höheres gibt. Dir, junger Sultan, hinterlasse ich meinen Segen.“

25
    Der Segen der toten Walide erwies sich als sehr stark. Selbst das Wort der Lebenden, das doch weder vom Volk noch vom Kaiser überhört worden wäre, hätte nicht so viel vermocht.
    Ibrahims Vorstoß, Mustafa die Thronfolge zu sichern, hatte also die Aussichten dieses Prinzen nur verschlechtert und dagegen Roxelanes ältesten Sohn in den Vordergrund geschoben.
    Zum erstenmal war der Wille des Großwesirs einem anderen unterlegen, Roxelanes Willen, und Ibrahim suchte schäumend nach dem Schuldigen, der ihr seinen Plan verraten haben mochte.
    Nur dadurch war sie in der Lage gewesen, rechtzeitig die Gegenmine zu legen.
    Acht Tage später hätte das Eintreten der Walide für Mohammed Soliman nicht mehr dieselbe Wirkung gehabt. Acht Tage hätten genügt, Mustafa in der Meinung der Bevölkerung und vor allem der Janitscharen zu befestigen.
    Überhaupt die Janitscharen!
    Wie gescheit das alte Weibsbild doch gewesen ist, dachte Ibrahim und meinte mit dem ,alten Weibsbild' die Walide, den Prinzen Mohammed Soliman gleichsam unter den Schutz der Derwischorden und besonders der Begtaschi zu stellen. Den Begtaschi fühlten sich die Janitscharen nun einmal verbunden, und so waren sie jetzt für Mohammed.
    Soliman aber war Mustafa wohl zugetan; doch darum liebte er seinen anderen Sohn, den ihm Roxelane vor zehn Jahren geschenkt hatte, den sanften Jungen mit den großen, schönen Augen der Mutter, ganz gewiß nicht weniger. Außerdem hielt er das Aufwerfen einer Frage, die angesichts der geringen Zahl seiner eigenen Jahre noch sehr viel Zeit habe, für unnötig und schädlich.
    Ein weit dringenderes Bedürfnis war ihm seine Versöhnung mit Roxelane.
    Den Sohn aber, der um seine Mutter trauerte, mochte Roxelane nicht zurückweisen, war es doch dieselbe Mutter, der sie geschworen hatte, ihn immer zu lieben.
    Soliman kam in Schwarz und mit schwarzem Kopfbund. Und dunkel war er selbst mit seinem breiten Bart und seinen ernsten, traurigen Augen.
    Als er dann Roxelane gegenüberstand, war sie bewegt, und beide stürzten einander stumm in die Arme. So verharrten sie lange.
    Die nächste Zeit wohnte Soliman bei Roxelane, und er verließ das Köschk Hebetullah nur, um mit seiner Frau und den Kindern in das Haus zu ziehen, das sich Roxelane in der Nähe von Dede Semids bescheidenem Landsitz am Meer hatte errichten lassen.
    Während seines Aufenthalts dort war es für alle Hof- und Staatsämter dasselbe, als sei der Kaiser auf der Jagd, die er sich auch nicht gern durch Geschäfte beeinträchtigen ließ, so vollkommen ging Soliman in seiner Familie auf.
    Er hatte seine Mutter aufrichtig geliebt und

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