Roxelane
suchte nun in dem, was ihm heranwuchs, Trost, da ihn das verlassen hatte, was nun Vergangenheit war.
Kindlich und einfach, wie nur ein verliebter Gatte und Vater sein kann, teilte er die Übungen und Spiele Roxelanes und deren Kinder. Im Bogenschießen war er sogar Roxelane überlegen, die ihn dafür beim Schwimmen schlug, während die Kinder natürlich noch zu klein waren, um es den Eltern in allem gleichtun zu können. Nur die neunjährige Mirmah bewies eine auffallende Begabung für das Reiten, das man ihr noch im Männersitz erlaubte.
Hauptfach einer Serailerziehung war daneben aber immer noch das Bogenschießen.
Der derbuntersetzte Selim übertraf seinen um zwei Jahre älteren Bruder Mohammed darin wohl an Kraft, doch nicht an Geschicklichkeit. Und der kleine Buckel Dschihangir nahm ebenfalls am Wettbewerb teil. Soliman legte gerade auf die körperliche Ausbildung des verkrümmten Kindes den höchsten Wert und ließ keine Gelegenheit vorübergehen, das Selbstbewußtsein dieses Sohnes zu stärken, dessen frühzeitige Gewecktheit ihn rührte und oft beängstigte. Überdies war die übliche Prinzenerziehung keineswegs weichlich. Auch Soliman hatte sie durchmachen müssen.
Vom zehnten Lebensjahr ab nahmen die kaiserlichen Knaben an dem
Unterricht in den Pagenkammern des Serails teil, die den drei Lehrstufen entsprachen.
Diese Pagenschule, der auch Dede Semids Söhne angehört hatten, war eine überaus wichtige Staatseinrichtung und hatte für die Reichsregierung dieselbe Bedeutung wie der kaiserliche Harem.
Ohne Rücksicht auf Abstammung oder auf die Religion der Eltern wurden die Schüler eingereiht, ganz gleich, ob sie nun Fürsten- oder Bauernsöhne waren. Die Eltern spielten überhaupt keine Rolle. Denn alle andern menschlichen Beziehungen als die zum Padischah hörten mit diesem Augenblick auf. Zu dessen Haus und im weiteren Begriff zu dessen Familie gehörten nun die Knaben. Nur wohlgestaltet und regen Geistes mußten sie sein.
Genau wie die Anwärterinnen des Harems waren auch sie oft auf Eroberungszügen erbeutet worden, oder sie waren Geschenke der Statthalter und siegreichen Korsaren. Doch konnten sie ebensogut unter den Rojahs, den ungläubigen Untertanen, die diesen Knabenzoll zu entrichten hatten, ausgehoben worden sein. Keineswegs selten aber hofften Würdenträger des Reiches ihren Kindern dadurch die Laufbahn zu erleichtern, daß sie ihre hübschen und begabten Söhne der Pagerie des Sultans anboten.
In jedem Fall war die Auslese überaus streng, und streng war auch die Erziehung. Die Fußsohlen der Zöglinge wiesen gelegentlich sichtbare Spuren davon auf. Zugleich aber waren die Schüler auch Gegenstand der größten Sorgfalt.
Unterrichtet und erzogen wurden sie zum Schutz ihrer Keuschheit grundsätzlich nur von weißen Eunuchen. Und diese Lehrer, die Kapuoghlan, waren überaus angesehen. Die Professoren gehörten zu den gehobenen Aga, die Kammerpräfekten waren Großwürdenträger des Serails.
Unter allen Umständen wurde außer Religion und einem freimütig bescheidenen Benehmen Lesen, Schreiben, Rechnen und Turbanwinden gelehrt, wozu ebenso selbstverständlich der Gebrauch aller Waffen, Reiten und Pflege der Pferde hinzukamen.
In der nächsthöheren Kammer wurde der Unterricht auf die Abrichtung von Hunden, Jagd- und Singvögeln ausgedehnt. Mathematik,
Astronomie, Literatur, Beredsamkeit und Fremdsprachen waren weitere Fächer.
Den letzten Schliff verlieh dann die dritte Kammer mit der Beherrschung von Hand-, Gesichts- und Haarpflege und des kunstgerechten Stickens.
Bis dahin brauchte ein junger Mann im ordentlichen Lehrgang neun bis zehn Jahre, und wer es bis zu diesem Grad der Verfeinerung und der entsprechenden Gelehrsamkeit gebracht hatte, der konnte mit einer Laufbahn rechnen, die in den Stellen der Wesire und Statthalter und der hohen Hofchargen gipfelte. Besonders anstellige und gelehrige Jünglinge wurden wohl auch für den persönlichen Dienst des Padischahs verschnitten und brachten es dann fast stets zu den höchsten Ämtern des inneren Dienstes und zu großem Einfluß.
Nur zehn vom Hundert aller Pagen gelangten jedoch in diese Klasse künftiger Wesire und Großeunuchen. Die anderen blieben meist bei der Finanz oder in den Sekretariaten hängen. Und der Großteil der jungen Leute, die auf der untersten Stufe stehen blieben, wurden mit ihrem zwanzigsten Jahr als Offiziere in die Janitscharen oder die Gardereiterei eingereiht.
Auf diese Weise umfaßte das Haus des
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