Roxelane
Padischahs also zwei wohl ausgewogene Instrumente der Herrschaft: den Harem und die Pagenkammern des Serails.
Der kaiserliche Haushalt lieferte in den ehemaligen Pagen das Menschenmaterial zur Besetzung aller wichtigen Stellen und in den Damen zugleich auch das zur Überwachung der großen Stelleninhaber. Darum hatte die Erziehung der Prinzen in den Pagenkammern auch eine so großartige Bedeutung.
Jeder Padischah wuchs dadurch inmitten seiner künftigen Minister, Staatssekretäre und Offiziere auf. Jeder Padischah war aber auch von Kind auf mit der Welt des Harems vollkommen vertraut. Und so hatte ein Kaiser unter allen Umständen genaue Kenntnis von allen Männern, die mit ihm sein Reich regierten, und von allen Frauen, die den Regierenden als Wächterinnen beigegeben wurden.
Alle diese Menschen standen zu ihm, dem Kaiser, in einer persönlichen, fast religiösen Beziehung. Er ersetzte ihnen die Eltern, die sie verloren hatten. Und so wurden die Pagenkammern und der Harem den Eltern- und Familienlosen zur Familie, von der sie in diesem Leben sich nicht mehr lösen konnten.
Nur die Laufbahn der Ulema, der Richter und Geistlichen, verlief unabhängig vom Serail. Vom jüngsten Studenten, dem Thalib, bis zu den Kadiaskeren, den Heeresrichtern und dem Mufti, dem höchsten Richter und Geistlichen, gehörten sie zur Moschee.
Zwei Säulen trugen so das Reich: zur rechten Hand die Würden des Serails unter dem Großwesir - zur linken Hand die Würden der Moschee unter dem Mufti. Doch Seine Hoheit der Großwesir und Seine Heiligkeit der Mufti wurden beide nach Belieben von der Majestät des Kaisers ernannt oder abgesetzt.
Der Kaiser blieb von allem die Spitze.
Auf Sultan Mohammed Soliman und seine Brüder warteten also die Pagenkammern, in die Roxelanes Ältester bald eintreten sollte. Mirmah jedoch, die Tochter, würde der Mutter bleiben.
Mirmah, der Sonnenmond, regierte nach Art einziger Töchter bereits fröhlich mit ihren kleinen Händen an ihrem Vater herum, was sich Soliman, dessen Liebling das Mädchen war, mit Stolz gefallen ließ. Roxelane freilich pflegte über diesen Stolz als Vernarrtheit zu lachen und über Durchkreuzung erzieherischer Maßnahmen zu schelten. Schwarzhaarig, blauäugig und von langem, noch knochigem Bau der Glieder war das Kind. Und doch konnte man von Mirmah trotz ihrer neun Jahre schon jetzt sagen, daß sie dermaleinst eine Schönheit sein würde. Sie war auch der einzige Mensch, gegen den Roxelane hin und wieder einen Hauch von Eifersucht verspürte. Die Tochter aber, obwohl sie die Mutter ebenso leidenschaftlich liebte, wie die Brüder das taten - vergalt ihr Gleiches mit Gleichem.
Mirmah befand sich ihren Eltern gegenüber im selben Zustand wie Ibrahim. Sie war auf Roxelane Solimans wegen eifersüchtig und auf Soliman wegen der Mutter. Am liebsten hätte sie beide ganz für sich allein gehabt.
Ebensowenig war sie traurig darüber, wenn sich die Brüder untereinander zankten. Dadurch wurde sie zur natürlichen Schiedsrichterin, und es war durchaus keine Seltenheit, daß sie einen oder den andern verprügelte - vorausgesetzt, daß es niemand sah. Denn daß einer der Brüder sie jemals verraten hätte, brauchte sie nicht zu befürchten. Auch die Brüder verhätschelten ihre Schwester.
Mirmah war ein höchst besitzfreudiges kleines Wesen.
Auch Roxelane schätzte den Reichtum der Unabhängigkeit wegen, die er ihr verlieh. Bei ihrer Tochter jedoch war dieser Sinn zu einer viel einfacheren, unbedingteren Freude an jeglichem Besitz geworden, am Besitz von Gütern dieser Welt und vor allem von Menschen.
Eine richtige, angehende kleine Herrscherin war die junge Prinzessin. Schon schnupperte sie mit Lust in den Intrigen der Hofdamen herum, und da sie dahintergekommen war, daß ihre liebe Mama in bezug auf die Religion sehr weitherzigen Ansichten huldigte, begann sie sich für ihre junge Person um so strengere Grundsätze zuzulegen. Besonders lehnte sie alles Christliche, obwohl sie es nicht kannte, mit Entschiedenheit ab.
Auch sie sorgte also dafür, daß Soliman nicht gerade müßig ging. Reiten, Bogenschießen, Ballspielen und Schwimmen im Stil der Tatarin, die das Meer in diesen schönen Frühlings- und Vorsommerwochen längst schon warm genug fand, beschäftigten ihn hinreichend, so daß es Ibrahim um so leichter hatte, seinen persischen Krieg vorzubereiten.
Die Perser waren ebenso leidenschaftliche Schiiten wie die Türken Sunniten, und der Kampf gegen die persischen Ketzer war durch
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