Roxelane
viele ehrwürdige Fetwa genauso zur religiösen Pflicht gemacht worden wie der gegen die ungläubigen Christen.
Außerdem hatte Schah Tahmasip den persischen Staat wieder zu einem beachtlichen Gegner gemacht, der deswegen so gefährlich war, weil er die Türkei bei jedem Kampf gegen das Abendland im Rücken bedrohte.
Tatsächlich hatte Persien denn auch während des verflossenen Krieges einen Freundschaftspakt mit Kaiser Karl und König Ferdinand unterhalten.
Für Ibrahim war das der hochwillkommene Anlaß zum Krieg. Denn trotz der Riesenbeute und aller Siegesfanfaren hatten die beiden letzten Feldzüge der Türkei nur unwesentlichen Landgewinn gebracht. Und nun versprach sich Ibrahim glänzendere Eroberungen in Persien.
Vorher jedoch mußte er den Rücken frei haben, und so wurde mit den österreichischen Friedensverhandlungen endlich Ernst gemacht. Gritti kam von Ungarn nach Konstantinopel, und auch Soliman begab sich in die Stadt und dort mit Ibrahim in Grittis Wohnung.
Der Fall rief das Aufsehen hervor, wie es sich Ibrahim gewünscht hatte. Niemals zuvor war ein Padischah über die Schwelle eines Ungläubigen gegangen, und alle guten Moslems nannten Soliman einen Toren, der von Ibrahim und Gritti bezaubert sei.
Dennoch wurden in dreistündiger Besprechung die Bedingungen gerade bei Gritti festgesetzt, dessen Autorität in Ungarn, wo er der wahre Herrscher war, gestärkt werden sollte.
Unter der höfischen Fiktion einer Gütergemeinschaft zwischen Vater und Sohn wurde die Wegnahme Ungarns besiegelt. Denn was dem Sohne, nämlich Ferdinand, gehöre, sei auch des kaiserlichen Vaters Soliman Eigentum. Und zur Gleichstellung des Großwesirs mit dem Römischen König als Bruder mit dem Bruder mußte die fabelhafte Annahme einer Blutsverwandtschaft herhalten.
Sehr ehrenvoll für Österreich war dieser Friede nicht; aber immerhin war er ein Friede.
Ibrahim jedoch bekam seine Ernennung zum Serasker gegen Persien. Sein Kiaja freilich, sein Stellvertreter im Oberbefehl, wurde Nino Hanums Mann. - Als Finanzminister war Iskender Tschelebi zwar mehr ein Mann der Feder als des Schwertes, doch ähnliches hätte man auch von Ibrahim sagen können, und Iskenders großes Organisationstalent konnte in der Tat niemand bestreiten. Dennoch wurde ganz offen als Hauptgrund der Berufung des Defterdars in die Heeresleitung seine Heirat mit Sultana Roxelanes früherer Hofdame genannt.
Denn der Kampf zwischen der Sultana und dem Großwesir ging weiter: Ibrahim war wieder Serasker geworden. Doch: seinen Stellvertreter und Chef des Stabes hatte Roxelane ernannt.
26
Im gleichen Raum, dem Soliman zum Ärgernis aller Rechtgläubigen drei Stunden lang die Ehre seiner Gegenwart vergönnt hatte, saß der Großwesir Ibrahim wieder einmal in diesen Wochen als Gast des Dogensohnes Aloysio Gritti. Die gottlosen Gemälde, die den Augen des Beherrschers aller Gläubigen hatten entzogen werden müssen, brauchten sich dabei vor denen Ibrahims nicht zu verhüllen.
Gritti und Ibrahim sprachen italienisch.
Ibrahim nannte Gritti beim Vornamen und Gritti den Großwesir „mein Giulio“, um dessen Vorliebe für Julius Cäsar gerecht zu werden. Beide tranken.
Gritti hatte guten Tokaier aus Ungarn mitgebracht, und daß der Wein nicht gegen Bezahlung entnommen worden war, tat seinem Geschmack weiter keinen Abbruch.
Noch immer betrachtete Ibrahim ein Bild. Es stellte die Opferung Isaaks durch Ibrahim oder Abraham dar, wie die Thora den Erzvater nannte. Vielleicht regte den Großwesir das blitzende Messer an. „Hast du Angst vor der Beschneidung?“ warf er nämlich nachlässig hin. „Das Fieber dauert nur einen Tag. Wir haben es alle einmal durchgemacht. Und überdies kenne ich den Scheich einer kleinen Moschee, der die Sache schnell und nahezu schmerzlos besorgt.“
Der erfolgreiche Verteidiger von Buda hielt es nicht für nötig, sich gegen den Vorwurf der Angst zu wehren.
„Schneidet dein Scheich auch Hornhaut?“ spottete er nur.
„Nein, lediglich deine Vorhaut, falls du es so belieben solltest“, antwortete Ibrahim mit unerschütterlicher Sachlichkeit, und deine Testikel könntest du behalten. Denn obwohl Soliman großes Gefallen an dir hat, brauche ich dich nicht für den inneren Dienst. Wohl aber könnte ich dich, wenn du dich beschneiden ließest, gelegentlich zu einem Wesir der Kuppel machen.“
„Das wäre allerdings...!“ rief Gritti und dachte ernsthaft über eine Stellung nach, die in Europa an Glanz kaum ihresgleichen hatte.
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