Roxelane
kannte das Schwesternpaar. Beide waren gemalt und besungen worden, und die Miniatur, die Ibrahim seinem Gastfreund gereicht hatte, war die Kopie eines Gemäldes von Sebastiano Piombino.
Mit vierzehn Jahren hatte Giulia einen Condottiere geheiratet, den Vespasio Colonna. Gerade weil er hinkte und viel älter als sie und häßlich war, hatte sie ihn ihren weit jüngeren, aber auch anspruchsvolleren anderen Anbetern vorgezogen. Jetzt freilich war sie Witwe. Herzogin von Trajetto und Gräfin von Fondi, wo sie residierte, war sie auch noch. Und außerdem stand sie auf dem Gipfel ihrer Schönheit, wie alle Welt seit annähernd acht Jahren behauptete.
Trotzdem aber viele Berühmtheiten an ihren Hof kamen, hatte sie sich zu keinem neuen Ehebund entschließen können.
Das war Giulia Gonzaga Colonna, deren Bild Barbarossa anstarrte. „Hast du von ihr gehört?“ fragte Ibrahim.
Sogar Barbarossa hatte von ihr gehört.
„Wenn du nun zu uns kommst, Bruder Pascha“, holte Ibrahim ein wenig aus, „wirst du dich auch an den Hof gewöhnen müssen.“
„Der Hof soll sich gefälligst an mich gewöhnen. Verdammt noch einmal!“ knurrte der Alte.
„Natürlich, natürlich!“ beruhigte ihn Ibrahim. „Ich meine nur, der Kaiser
„Dem Kaiser muß man sich freilich erkenntlich erweisen“, gab Barbarossa zu.
„Und da wären kleine Geschenke . ..“, wollte Ibrahim raten. „Was?!“ fuhr aber der andere auf. „Kleine Geschenke? Kleine?! Ich bin nicht knauserig, wenn ich schenke. Ich habe schon Kaiser Selim einen Kauffahrer mit einer Last von....“
„Gewiß doch! Ich weiß“, unterbrach ihn Ibrahim. „Man hat deine Freigebigkeit gerühmt. Aber ich dachte weniger an Stoffe, und wenn sie noch so kostbar seien, oder an edle Metalle und Steine. Ich habe gewähltere Geschenke im Auge. Unser Herr hat einen großen Geist und einen feinen Geschmack, mußt du wissen.“
„Ach so...“, dehnte Barbarossa die Silben, „du denkst an Knaben?“ „Ich denke an Mädchen“, sagte Ibrahim. „Unser Herr, den Allah er halten möge, ist tugendhaft, Chaireddin!“
„Aber ich wußte gar nicht, daß es euch an Mädchen fehlt“, ereiferte sich Barbarossa. „Er kann haben, so viel er will. Eine ganze Schiffsladung von Mädchen kann er haben! Meinst du, das würde genügen?“
Barbarossa sah keinen Grund, den Kaiser darben zu lassen, und so dauerte es eine ganze Weile, bevor er begriff, worauf es Ibrahim eigentlich ankam.
„Du meinst also, eine Berühmte müsse es sein? So eine wie die Colonna?“
„Was ist ein Edelstein, den niemand kennt?“ fragte Ibrahim zurück. „Erst durch das Lob der Dichter erhält er seinen Preis.“ „Meinetwegen“, murrte Barbarossa.
Er selbst war nicht so heikel, sondern befliß sich im Verkehr mit Frauen der größten Einfachheit. Entweder waren die Mädchen willig - dann war es gut. Oder sie waren es nicht - dann bekamen sie es so lange mit einem Rohrstode auf den nackten Hintern, bis sie es waren. Und dann war es auch gut. Auf diese Weise war der rauhe Kavalier immer aufs beste mit den Frauen ausgekommen. Und bis jetzt hatte er seine Methode für untadelig gehalten.
Ganz wollte es ihm daher auch nicht in den Kopf, inwiefern wohl der vielen Anbeter Begehren den Genuß des einen Besitzers zu steigern vermöge? Und so ärgerte er sich halb, und halb bewunderte er gerade das, was ihn ärgerte, weil es ihm unverständlich war.
„Ihr seid mir Leute!“ rief er und staunte. „Aber leicht wird es nicht sein; denn Fondi...“ - er überflog seine Karte, die er im Kopf hatte -, „Fondi liegt ein gutes Stück von der Küste landeinwärts.“ „Du wirst es dennoch schaffen“, ermunterte ihn Ibrahim.
„Und ob ich es schaffen werde!“ erwärmte sich Barbarossa allmählich für seine Aufgabe, und alles andere ging ihn ja auch im Grunde nichts an. „Soliman soll seine Giulia haben. Sag es ihm, Großwesir ! “
Doch jetzt wurde Ibrahim ernst.
Mochte er noch so sehr wünschen, eine Konkurrenz für Roxelane Sultana in den kaiserlichen Harem zu schmuggeln, so wäre es ihm doch überaus peinlich gewesen, als der Anstifter dazustehen.
„Kein Wort über unser Gespräch!“ sagte er darum. „Diese Giulia ist dein Einfall, ist der Gedanke eines so feinsinnigen Mannes, wie du es bist. Alle Ehren nur für dich allein! Ich bin dein Freund, Chaireddin!“
Die Augen zweier Männer senkten sich treuentbrannt ineinander, und ein fester Händedruck besiegelte das Gelübde.
„Wollen wir jetzt schlafen?“
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