Roxelane
gelassen zu sein. Sie bettete ihr Gesicht in beide Hände und grübelte. „Ibrahim Pascha wird nicht glauben, daß unsere Sultana alles hinnimmt, ohne sich zu wehren!“ begann sie dann mit großer Entschiedenheit von neuem. „Und so blind zu sein, ist er zu klug.“ „Klug ist er", gab die Ältere zu. „Aber er ist auch bis zur Beschränktheit von sich eingenommen. Wer sich Serasker Sultan nennt, hat das Maß seiner Augen verloren und ist wie ein Blinder. - Natürlich wird er seine Esma ausfragen, und die wird ihm etwas von der unbeirrbar sanften und gütigen Gesinnung unserer Sultana vorschwärmen . ." „Was er nicht glauben wird!“
„Er wird glauben, daß unsere Herrin ihn zu sehr bewundere, um ihm gram sein zu können“, spottete Dede Semid. „An nichts glaubt ein Mann in solchem Fall leichter als an die Bewunderung einer Frau. Und Ibrahim erst! Der wäre, wie ich ihn schätze, erstaunt, vom Gegenteil zu hören. Er wird sich also gar nicht einmal die Mühe machen zu überlegen, welche Beweise Roxelane Sultana gegen ihn haben und welche Schritte sie gegen ihn unternehmen könnte. Gewarnt wäre er freilich ein gefährlicher Gegner. Aber er wird nicht gewarnt werden und sich durch die Liebe des Kaisers in vollkommener Sicherheit fühlen.“
„Vielleicht ist er es auch ...“, meinte Nino nachdenklich.
„Vielleicht.. .“
Dede Semids Stirn furchte sich. Für sie gehörte Mut zu dem Kampf, der sich entspann; denn Dede Semid hatte Söhne.
Aber sie hatte auch ihre Liebe zu Roxelane. Und wie Ibrahim an sein Glück, so glaubte Dede Semid an das ihrer Göttin, deren Hohepriesterin sie war.
Mit einem Kuß löste sich Roxelane aus Esmas Umarmung.
„Und du trägst ihm wirklich nichts nach?“ vergewisserte sich Esma noch einmal, und es war nicht abzusehen, wie oft sie es noch tun würde.
„Willst du endlich still sein!“ lachte Roxelane und trat, um das Gespräch zur Oberfläche zu heben, an die Wand, aus der ein Wasserstrahl ins Moosbecken fiel. „Und wenn du noch einmal fragst, dann spritze ich dich! “ scherzte sie.
„Ach du!“ rief Esma und warf sich begeistert in Roxelanes Arme. Es war gut, daß Prinzessin Esma klein war, so konnte die Große die Kleinere an sich drücken, ohne ihr Gesicht zeigen zu müssen.
Esma merkte nichts.
„Ich bin ja so glücklich, Rosska!“ floß sie über. „Überaus glücklich! Denn jetzt weiß ich, daß du mir nichts aus Güte verhehlst. Ich könnte ja nicht mehr leben, wenn du es tätest. Hörst du, Rosska, ich könnte nicht mehr leben. Ich liebe dich so, und ihn - ihn liebe Ich auch“, schloß sie leise.
Roxelane hatte das Gefühl, als sei Esma ein kleines Tierchen, das sie schützen müsse. Sie war wieder die Rosska am Dnepr. Aber... sie empfand sie auch zugleich als den krummbeinigen Pjotr.
„Wir sind Schwestern“, sagte sie, und es war für sie das schlimmste, was ihr begegnen konnte, daß diese Worte und diese Umarmung keine Lüge, sondern die Wahrheit waren. „Liebe deinen Mann. Wir können nichts Besseres tun, als unsere Männer lieben, ob sie es nun verdienen oder nicht.“
„Verdient Ibrahim meine Liebe denn nicht?“ fragte Esma zaghaft. „Höre zu, Esma“, gab Roxelane sich streng. „Ich will nicht, daß der Gedanke an mich deine Ehe trübt. Sag mir jetzt, was du Ibrahim vorwirfst und sag es selbst. Ich will es.“
Esma sah ganz erschrocken auf.
„Das mit Mustafa . . .“, meinte sie dann.
„Mustafa?“ nahm Roxelane die Frage auf. „Soliman hat ihm Magnesia gegeben, was doch wohl auch ein wenig Solimans Sache und nicht nur die deines Mannes ist, sollte ich meinen. Und verdient Mustafa es etwa nicht? Ist er nicht ein hübscher und begabter junger Mann, und lieben wir ihn nicht alle? Du doch auch, Esma! Wenn du es nicht tust, bist du eine schlechte Tante“, neckte sie. „Höre, Esma, du bist überhaupt in der letzten Zeit so streng, mit Mustafa bist du es und mit Ibrahim . . .“
Und nun mußte auch Esma lachen.
„Ich fragte doch nur“, meinte sie, „weil du am gleichen Tag bei der Mutter warst.“
Roxelane nahm Esmas Kopf zwischen ihre Hände und blickte ihr eindringlich und tief in die Augen.
„Deine Mutter ist tot, darum muß ich es dir sagen“, sprach sie wie zu einem Kinde. „Deine Mutter befahl mir, zu kommen, und so kam ich.
Das ist alles. Und mit dem Testament und allem sonst tat sie, wie es ihr recht schien. Wer bin ich, Esma, daß ich der Walide hätte raten können?“
„Und daß du Nino bei dir hast,
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