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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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war ein großes Vergnügen, dich nach so vielen Jahren noch einmal wiederzusehen.«
    »So viele Jahre waren das auch wieder nicht«, sagte Mum.
    »Siebzehn.«
    »Sechs«, sagte Mum und es klang ein bisschen beleidigt. »Wir sahen uns auch auf der Beerdigung meines Vaters. Aber wahrscheinlich hast du das vergessen.«
    Sie schaute sich nach Mr George um. »Werden Sie auf sie achtgeben?«
    »Mrs Shepherd, ich verspreche Ihnen, dass Gwendolyn bei uns sicher ist«, sagte Mr George. »Vertrauen Sie mir.«
    »Es bleibt mir ja nichts anderes übrig.« Mum entzog Mr de Villiers ihre Hand und schulterte ihre Handtasche. »Kann ich noch einmal kurz unter vier Augen mit meiner Tochter sprechen?«
    »Selbstverständlich«, sagte Falk de Villiers. »Gleich nebenan bist du ungestört, wenn du willst.«
    »Ich würde gern mit ihr nach draußen gehen«, sagte Mum.
    Mr de Villiers zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Hast du Angst, wir belauschen dich? Beobachten dich durch Gucklöcher in den Porträts?« Er lachte.
    »Ich brauche einfach nur etwas frische Luft«, sagte Mum.
     
    Der Garten war um diese Uhrzeit nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein paar Touristen - erkennbar an den dicken Fotoapparaten um den Hals - sahen neidisch zu, wie Mum eine der Pforten, ein verschnörkeltes Eisentor, zwei Meter hoch, aufschloss und hinter uns wieder verriegelte.
    Ich war ganz entzückt von der Fülle der Blumenbeete, dem satten Grün der Rasenfläche und dem Duft, der in der Luft lag. »Das war eine gute Idee von dir«, sagte ich. »Ich kam mir schon vor wie ein Grottenolm.« Sehnsüchtig hielt ich mein Gesicht in die Sonne. Für Anfang April war sie erstaunlich kräftig.
    Mum setzte sich auf eine Teakbank und rieb sich mit der Hand über die Stirn, eine ganz ähnliche Geste wie vorhin bei Lady Arista, nur dass Mum nicht uralt dabei aussah. »Das ist ein echter Albtraum«, sagte sie.
    Ich ließ mich neben sie auf die Bank fallen. »Ja. Man kommt nur kaum dazu, darüber nachzudenken. Gestern Morgen noch war alles wie immer und dann plötzlich ... Ich habe das Gefühl, mein Kopf platzt gleich, so viele Dinge muss er auf einmal verarbeiten. Tausend kleine Informationen, die alle nicht richtig zusammenpassen wollen.«
    »Es tut mir furchtbar leid«, sagte Mum. »Ich wünschte so sehr, ich hätte dir das alles ersparen können.«
    »Was hast du damals gemacht, dass sie jetzt alle so sauer auf dich sind?«
    »Ich habe Lucy und Paul geholfen zu fliehen«, sagte Mum. Sie sah sich kurz um, als ob sie sichergehen wollte, dass uns niemand belauschte. »Eine Zeit lang haben sie sich bei uns in Durham versteckt. Aber natürlich haben
sie
es herausbekommen. Und Lucy und Paul mussten fort.«
    Ich dachte daran, was ich heute erfahren hatte. Und plötzlich begriff ich, wo meine Cousine war.
    Das schwarze Schaf der Familie lebte nicht etwa im Amazonas unter Eingeborenen oder in Irland versteckt in einem Nonnenkloster, wie Leslie und ich es uns als Kinder immer ausgemalt hatten.
    Nein, Lucy und Paul waren ganz woanders.
    »Sie sind mit dem Chronografen in der Vergangenheit verschwunden, oder?«
    Meine Mutter nickte. »Letztendlich hatten die beiden keine Wahl. Aber es war keine leichte Entscheidung für sie.«
    »Warum das?«
    »Man darf den Chronografen nicht aus seiner Zeit entfernen. Wenn man das tut, kann man selber auch nicht mehr zurückreisen. Wer den Chronografen mit in die Vergangenheit nimmt, muss dortbleiben.«
    Ich schluckte. »Was für einen Grund kann es geben, dass man so etwas in Kauf nimmt?«, fragte ich leise.
    »Sie hatten begriffen, dass es in der Gegenwart für sie und den Chronografen kein sicheres Versteck geben würde. Die Wächter hätten sie früher oder später überall auf der Welt aufgespürt.«
    »Und
warum
haben sie ihn gestohlen, Mum?«
    »Sie wollten verhindern, dass . . . der Blutkreis sich schließt.«
    »Was passiert, wenn der Blutkreis geschlossen ist?« Himmel, jetzt hörte ich mich schon genauso an wie einer von denen.
Blutkreis.
Als Nächstes würde ich anfangen, in Reimen zu sprechen.
    »Hör zu, Liebling, wir haben nicht viel Zeit. Auch wenn sie jetzt noch das Gegenteil behaupten: Sie werden versuchen, dich an ihrer sogenannten Mission zu beteiligen. Sie brauchen dich, um den Kreis zu schließen und das Geheimnis zu offenbaren.«
    »Was ist das Geheimnis, Mum?«
Ich hatte das Gefühl, diese Frage schon tausendmal gestellt zu haben. Und innerlich brüllte ich sie fast heraus.
    »Ich weiß es genauso wenig wie

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