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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mit seinen dunklen Augen und ich begann in Gedanken wieder zu singen.
    Send her victorious, happy and glorious . . .
» Das Wortlücke Wortlücke ist es, was ich einfach nicht verstehen will.«
    »Unsere Wissenschaftler sagen, dass es durchaus möglich ist, genetische Wortlücke über . . .«
    Der Graf hob die Hand, um Gideon das Wort abzuschneiden. »Ich weiß, ich weiß! Nach den Gesetzen der Wissenschaft mag das ja auch zutreffen. Aber ein ungutes Gefühl habe ich trotzdem.«
    Da ging es ihm nicht anders als mir.
    »Also kein Französisch?«, fragte er, diesmal auf Deutsch. Deutsch lag mir ein bisschen besser (immerhin ein stabiles B, schon seit vier Jahren), aber auch hier offenbarten sich dumme Wortlücken. »Warum ist sie so schlecht vorbereitet?«
    »Sie ist überhaupt nicht vorbereitet, Marquis. Sie spricht keine Fremdsprachen.« Gideon sprach nun auch Deutsch. »Und sie ist auch sonst in jeder Hinsicht vollkommen Wortlücke. Charlotte und Gwendolyn wurden am selben Tag geboren. Man war irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass Gwendolyn einen Tag später Geburtstag hat.«
    »Aber wie konnte das übersehen werden?« Ah, jetzt verstand ich endlich jedes Wort. Sie hatten wieder ins Englische gewechselt, das der Graf völlig akzentfrei sprach. »Warum habe ich nur das Gefühl, dass die Wächter in deiner Zeit ihre Arbeit nicht mehr richtig ernst nehmen?«
    »Ich denke, die Antwort steht in diesem Brief.« Gideon zog einen versiegelten Briefumschlag aus der Innentasche seines Gehrocks und reichte ihm den Grafen.
    Ein bohrender Blick traf mich.
    ..
.frustrate their knavish tricks, on Thee our Hopes we fix, God save us all. . .
    Angelegentlich wich ich seinen dunklen Augen aus und sah stattdessen die anderen beiden Männer an. Lord Brompton schien noch mehr Wortlücken als ich zu haben (sein Mund über den zahlreichen Doppelkinnen stand leicht offen und er sah ein bisschen dumm aus) und der andere Mann, Rakoczy, betrachtete aufmerksam seine Fingernägel.
    Er war noch jung, vielleicht um die dreißig, und er hatte dunkle Haare und ein schmales, langes Gesicht. Er hätte ganz gut aussehen können, aber seine Lippen waren verzogen, als habe er gerade einen äußerst widerlichen Geschmack auf seiner Zunge, und seine Haut war auf eine kranke Art bleich.
    Ich überlegte, ob er möglicherweise hellgrauen Puder aufgetragen hatte, als er plötzlich den Blick hob und mir direkt in die Augen sah. Seine Augen waren pechschwarz, ich konnte nicht erkennen, wo die Iris begann und die Pupille anfing. Sie sahen seltsam tot aus, ohne dass ich sagen konnte, warum.
    Automatisch begann ich in Gedanken wieder »God save the Queen« zu deklamieren. In der Zwischenzeit hatte der Graf das Siegel gebrochen und den Brief auseinandergefaltet. Mit einem Seufzer begann er zu lesen. Ab und zu hob er den Kopf und sah mich an. Ich hatte mich noch immer nicht von der Stelle gerührt.
    Not in this land alone, but be God's mercies known . . .
    Was stand in dem Brief? Wer hatte ihn geschrieben? Lord Brompton und Rakoczy schienen sich auch dafür zu interessieren. Lord Brompton reckte seinen dicken Hals, um einen Blick auf das Geschriebene zu erhaschen, während Rakoczy sich mehr auf das Gesicht des Grafen konzentrierte. Offensichtlich schien der angewiderte Zug um seinen Mund angeboren zu sein.
    Als er mir wieder sein Gesicht zuwandte, richteten sich alle Härchen auf meinen Armen auf. Die Augen sahen wie schwarze Löcher aus und jetzt entdeckte ich auch, warum sie so tot wirkten: Es fehlte der kleine Lichtreflex, der helle Funken, der Augen sonst lebendig machte. Das war nicht nur seltsam, sondern wirklich gruselig. Ich war froh, dass zwischen mir und diesen Augen mindestens fünf Meter Abstand lagen.
    »Deine Mutter, mein Kind, scheint eine ungewöhnlich halsstarrige Person zu sein, richtig?« Der Graf hatte die Lektüre des Briefes beendet und faltete ihn zusammen. »Über ihre Motive kann man nur spekulieren.« Er kam noch ein paar Schritte näher heran und unter seinem bohrenden Blick fiel mir nicht mal mehr der Text der Nationalhymne ein.
    Aber dann erkannte ich, was ich von Weitem und vor lauter Angst vorher nicht gesehen hatte: Der Graf war alt. Obwohl seine Augen förmlich vor Energie zu sprühen schienen, seine Haltung aufrecht und der Klang seiner Stimme jugendlich und lebendig war, waren die Spuren des Alters nicht zu übersehen. Die Haut an Gesicht und Händen war zerknittert wie Pergament, bläulich schimmerten die Adern hindurch, die

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