Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
spät war, wollte die Dunkelheit nicht weichen. Sie schien sogar noch dichter zu werden, und als die Armbanduhr klingelte, deren Weckfunktion Mencheres aktiviert hatte, musste er zu seinem großen Bedauern einsehen, dass Kira sich getäuscht hatte. Er stand sich nicht selbst im Weg, wie hell ihr Glaube an ihn auch brennen mochte. Hier ging es nicht um Schuldgefühle, sich selbst erfüllende Prophezeiungen oder Fehlinterpretationen.
Vor ihm lag die Duat, die Unterwelt ohne Himmel und Erde, und niemand, den der Fährmann einmal erspäht hatte, konnte sich ihrer Finsternis entziehen.
Mencheres stieg aus der Wanne und zog sich an, ohne sich vorher abzutrocknen. Ruhige Entschlossenheit erfüllte ihn. Endlose Finsternis erwartete ihn, doch bevor er in die Duat einging, würde er ihr Dunkel für seine Zwecke nutzen. Es gab noch eine Möglichkeit, Kira zu retten.
Finsteren Gesichts wartete Vlad vor dem Badezimmer. Er stellte keine Fragen, konnte sich aber zweifelsohne denken, dass Mencheres die Mauer in seinem Innern nicht hatte durchbrechen können. Andernfalls hätte er ihn gedrängt, endlich aufzubrechen und Kira zu befreien…
» Vielleicht können wir…«
» Ich habe mir etwas anderes überlegt…«, schnitt Mencheres ihm das Wort ab. Seine Lippen verzogen sich zu einem leisen sardonischen Lächeln. » Aber vielleicht ist es besser, wenn du nicht zusiehst.«
Als Kira die Augen öffnete, hatte sie das Gefühl, von innen heraus zu verbrennen. Ihr Mund war trocken, ihre Glieder schmerzten, und ihr Magen stand in Flammen. Kurz war sie so verwirrt, dass sie nicht einmal mehr wusste, wo sie war und warum man sie an die Wand geschmiedet hatte. Dann brach die Erinnerung über sie herein. Die drei Vampire im Treppenhaus. Die Entführung durch Radje. Mencheres, der sich heute Nacht mit ihm treffen wollte, um sich für sie zu opfern.
Sie blieb völlig reglos, um nicht mit ihren Metallschellen zu rasseln oder auf andere Art die Aufmerksamkeit der Wachen zu erregen. Zu ihrem Bedauern hatten sie sie die ganze letzte Nacht über kein einziges Mal aus den Augen gelassen. Womöglich fühlten sie sich durch Radjes Anwesenheit genötigt, besonderen Eifer an den Tag zu legen. Sie konnte sie in den angrenzenden Räumen hören. Sie hatten Sterbliche bei sich, und deren Herzschläge machten Kira fast wahnsinnig vor Blutgier. Dieses spezielle Gebäude schien der Öffentlichkeit zwar nicht zugänglich zu sein, aber die Ruinen waren eine Touristenattraktion, sodass den Wachen Nahrung in Hülle und Fülle zur Verfügung stand.
Jetzt allerdings war sie allein. Vielleicht war Radje ebenfalls ausgeflogen. Womöglich war er schon unterwegs nach Atlanta, um sich mit Mencheres zu treffen. Wie spät war es? Wie lange war sie weggetreten gewesen, nachdem die Sonne aufgegangen war?
Kira verrenkte sich den Hals, um etwaige Sonnenstrahlen im Raum nebenan zu erspähen. Aber entweder hatte sie den Kopf nicht weit genug gedreht, oder es gab keine. Allerdings hatte sie nicht das Gefühl, dass es schon dunkel war. Sie hatte noch Zeit. Die rasch pochenden Herzen der Sterblichen übten eine geradezu hypnotische Anziehungskraft auf sie aus, und auch das Brennen in ihrem Magen sagte ihr, dass sie sich zusammenreißen musste. Wenn es ihr nicht gelang, ihren Hunger zu bezähmen, würde sie in blinde Blutgier verfallen.
Mencheres zählt auf dich, sagte Kira sich vor. Sie würde ihn nicht im Stich lassen.
So vorsichtig wie möglich zog sie an der Eisenschelle um ihr Handgelenk. Sie knarrte beängstigend laut, sodass ihr Blick nervös zu dem offenen Durchgang zum nächsten Raum huschte, aber niemand kam. Kira biss die Zähne zusammen und versuchte es noch einmal. Wieder gaben die Eisen ein Ächzen von sich, das in ihren Ohren wie Alarmglocken schrillte, aber den Geräuschen nebenan nach zu urteilen waren die Wachen noch mit den Sterblichen beschäftigt. Wer wusste, wie lange noch? Sie musste sich beeilen.
Kira spürte, wie das Eisen sich aus der Wand zu lösen begann. Sie war außer sich vor Freude, hörte aber gleich darauf einen der Wachleute murmeln: » Habt ihr das gehört?«
Sie schloss die Augen und ließ sich gerade noch rechtzeitig in ihren Fesseln zusammensacken. Der Wachmann trat ein; sie konnte sein Kraftfeld spüren, als er näher kam. Eine große Hand legte sich auf ihr Gesicht, wo sie für ihren Geschmack viel zu lange verweilte. Gleich darauf packte dieselbe Pranke ihre Brust, aber Kira zwang sich, keinerlei Reaktion zu zeigen.
» Noch
Weitere Kostenlose Bücher