Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
vollen, kupfrigen Geschmack im Mund hatte, den sie als so verlockend empfand. Wieder breitete sich der Schmerz explosionsartig in ihrem Körper aus, das verhasste Gefühl, von innen heraus zu verbrennen, wurde immer heftiger.
Im nächsten Augenblick hatte Mencheres sie im Arm und hielt ihr den glatten Beutel an die Lippen. » Es muss sein.«
Sie merkte erst, dass sie hineingebissen hatte, als der Schmerz in ihrem Innern nachließ und unglaubliche Erleichterung sie überkam. Kira spürte, wie sie wegdriftete, ihr Verstand von Glück und Gier ausgeschaltet wurde, doch bevor sie vollständig das Bewusstsein verlor, fiel ihr unwillkürlich etwas ein. Etwas, das ihr gar nicht aufgefallen war, als Mencheres ihr erklärt hatte, warum er ihren Chef dazu gebracht hatte, ihr den Wagen und die Gehaltserhöhung zu geben. Du hast spätabends noch gearbeitet …
Es gab nur eine Erklärung dafür, warum Mencheres über Kiras Arbeitspensum in dieser Woche Bescheid gewusst hatte. Er war ihr gefolgt.
Mencheres ging neben Kira durch den Wald. Die Luft war angenehm kühl so kurz vor der Dämmerung, aber Kira trug einen dicken Sweater und Hosen, als wäre es viel kälter. Sie schien sich beim Gehen auf den Boden zu konzentrieren, nur wenn sie irgendwelche nachtaktiven Waldbewohner aufscheuchten, huschte ihr Blick zur Seite.
Er sagte nichts, damit sie sich an die Flut der Sinneseindrücke gewöhnen konnte, die von außen auf sie einstürmten. An ihrem zweiten Tag als Vampirin war sie ein paar Stunden vor Einbruch der Abenddämmerung erwacht und hatte darauf bestanden, allein zu duschen, nachdem ihre Gier durch die frischen Blutkonserven befriedigt war, die Gorgon mitgebracht hatte. Mencheres’ Warnungen waren auf taube Ohren gestoßen. Kira hatte die Tür der Dusche abgerissen, als sie versucht hatte, sie zu öffnen, und auch den Wasserhahn hatte es nicht in der Wand gehalten, als sie ihn nach dem Duschen in der offenen Kabine zudrehen wollte. Sie war so frustriert darüber gewesen, ihre Körperkraft nicht kontrollieren zu können, dass sie einen erneuten Anfall von Blutgier gehabt hatte, was natürlich nicht überraschend war. Zorn und Hunger waren bei jungen Vampiren eng miteinander verknüpft, und da Kiras Empfindungen in ihr unbekanntem Ausmaß gesteigert worden waren, würde sie in den nächsten Tagen immer wieder von heftigen Stimmungsschwankungen gebeutelt werden.
» Es kommt mir so falsch vor, die Dunkelheit nicht wahrnehmen zu können«, brach Kira endlich ihr Schweigen. » Ich weiß, dass es Nacht ist, aber mir kommt sie eher vor wie ein klarer, wolkiger Nachmittag, an dem mir die Sonne nicht in den Augen wehtut. Es gibt keine Schatten mehr. Nur dunklere Stellen. Wie lange hast du gebraucht, um dich an ein Leben ohne Dunkelheit zu gewöhnen?«
Mencheres versuchte sich an seine ersten Tage als Vampir zu erinnern. Das war schon so lange her, dass er das Gefühl hatte, die Verwandlung wäre jemand anderem zugestoßen. Er erinnerte sich an den Hunger bei seinem ersten Erwachen; den vergaß kein Vampir. Aber er wusste nicht mehr, wie eine richtige Nacht für einen Sterblichen aussah, also konnte er ihr auch nicht sagen, wie lange er gebraucht hatte, bis er sie nicht mehr vermisste.
» Vieles aus meiner Anfangszeit habe ich vergessen«, gestand er.
» Weil du älter bist als Methusalem, richtig?« Kira warf ihm einen schiefen Blick zu. » Dann sag mir mal, ob es für dich hier draußen auch so klingt, als wären Abrissarbeiten im Gange? Oder hast du mit der Zeit gelernt, Hintergrundgeräusche auszublenden?«
Er konzentrierte sich kurz auf die Laute, die den Wald erfüllten. Nein, er hatte gar nicht auf die Geräusche geachtet, nur darauf, ob sie eine natürliche Ursache hatten oder eine Bedrohung ankündigten, die eliminiert werden musste. Hatte er einfach gelernt, sie auszublenden, wie Kira es ausdrückte? Oder war er schon so abgestumpft, dass es ihn nicht mehr kümmerte, ob die Grillen zirpten, die Blätter tanzten, die Zweige sich aneinander rieben, während sie sich einander entgegenstreckten, oder Tiere auf Nahrungs- oder Partnersuche erfolgreich waren?
» Man lernt, sich nur auf bestimmte Dinge zu konzentrieren«, antwortete er.
Das stimmte. Er hatte zwar nicht den Geräuschen des Waldes gelauscht, aber er hätte Kira ganz genau sagen können, wie ihr Duft sich verändert hatte, während sie neben ihm hergegangen war. Oder wie oft ihre Augen smaragdgrün geblitzt hatten, wenn sie eine Kreatur mit schlagendem Herzen
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