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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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hat zu ihr gesagt, sie soll sich nie wieder blicken lassen, und glaub mir, sie hatte auch nicht die geringste Absicht, je wieder dorthin zurückzukehren. Deshalb sind wir nur das eine Mal dahingefahren. Ich dachte, es war gut, wenn du ihre Familie kennenlernst, aber es ist mir wirklich verdammt schwergefallen, ihn nicht grün und blau zu schlagen, als ich ihn da im Sessel sitzen sah. Du wusstest von alldem nichts, aber sie hat deswegen oft geweint. Sie war nicht immer der strahlende Sonnenschein, den sie dir gezeigt hat. Manchmal war sie auch traurig. In manchen Nächten hat sie sich in den Schlaf geweint.«
    Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass ich von diesem Teil meiner Mutter nichts mitbekommen hatte. Ich dachte, ich hätte von meinem Zimmer aus alles gehört. Wie hatte das meinen aufmerksamen Ohren entgehen können?
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte Daddy: »Sie hätte mit dir darüber geredet, sobald du älter warst. Sie erinnerte sich nicht gern daran, aber es war ein Teil von ihr.«
    Ich dachte zurück an den Nachmittag am Strand, als Carlie mir von ihrer Begegnung mit Daddy erzählt hatte. Ich hörte ihre Stimme, klar und deutlich: »Als ich klein war, stellte ich mir vorm Einschlafen immer vor, ich könnte fliegen. Ich flog an alle möglichen Orte, landete und sah mich um, ob ich dort jemanden kannte. Dann, als ich älter war, fuhr ich hierher, und da war dein Vater. Er ist ein guter Mann, Florine. Einer der besten, denen ich je begegnet bin.«
    »Sie hat dich geliebt«, sagte ich zu Daddy. »Das hat sie mir immer wieder gesagt.«
    »Freut mich, dass sie es dir gesagt hat. Manchmal, wenn ich draußen auf dem Wasser bin, rede ich mit ihr. Ich denke an all das, worüber wir je gesprochen haben. Meistens tröstet es mich.«
    Ich schwieg eine Weile, dann sprach ich es endlich aus. »Sie ist tot, nicht wahr, Daddy?«
    »Was auch immer damals passiert ist, es war nichts Gutes«, sagte Daddy. »Ich wünschte nur, wir könnten herausfinden, was geschehen ist. Damit wir endlich zur Ruhe kommen. Und sie nach Hause holen können.«
    »Das wünsche ich mir auch, Daddy.« Jemand, den ich sehr geliebt hatte, flüsterte mir etwas ins Ohr. »Grand würde sagen, wir müssen ihrer Seele einen Ort geben, wo sie sich niederlassen kann. Wir müssen eine Art Zeremonie abhalten. Sie irgendwo zur letzten Ruhe betten, wo sie sich immer willkommen fühlt.«
    Daddys Augen fingen an zu glänzen, und er fuhr sich mit der Hand darüber. »Im Sommer sind es sieben Jahre. Dann machen wir es, Florine. Was hältst du davon? Kannst du bis dahin warten?«
    Das konnte ich. Wir hatten so lange gewartet. Was machten da ein paar Monate schon aus?

47
     
    Mitte April wäre ich am liebsten aus der Haut gefahren oder aus dem Fenster gesprungen. Ich fragte mich, wie Leute das aushielten, die Jahr um Jahr in ihrem Körper gefangen waren.
    »Ich drehe durch«, sagte ich zu Dottie. »Wie würdest du dich fühlen, wenn du nicht bowlen könntest?«
    »Es würd mich fast umbringen. Aber du kommst schon wieder auf die Beine. Das Wetter ist grauenvoll. Da kannst du genauso gut warten, bis es besser wird«, sagte sie. »Warte bis Mai.« Aber das schien noch so weit weg. Die Zeit verging im Schneckentempo.
    Bud und Glen hatte ich nicht mehr gesehen, seit ich aus dem Krankenhaus gekommen war. Dottie sagte mir, dass Bud bei Freddie in der Autowerkstatt arbeitete, wenn er nicht in der Schule oder bei Susan war. Glen überlegte, Soldat zu werden und in Vietnam zu kämpfen. Die Vorstellung, wie der große, dumme Glen mit einem Gewehr durch den Dschungel lief, gefiel mir gar nicht.
    Als die Albträume begannen, erinnerte ich mich wieder an einen der Hauptgründe, warum ich dieses Haus verlassen hatte und zu Grand gezogen war. Wie langbeinige, haarige Spinnen krochen sie durch die Risse in den Tiefen meines Gehirns. Bäume. Schreie. Andy, der immer wieder meinen Namen rief und dann überhaupt keinen Ton mehr von sich gab. Lichter. Wind. Mr. Barrington, der mit dem Schürhaken die Scheiben des Autos zertrümmerte, um auf Andy und mich einzuschlagen, obwohl wir schon halb tot waren. Carlie, die mit einem leichten Lächeln an der Motorhaube des Wagens vorbeiging und mich ignorierte, während ich mich vor Schmerzen wand und um Hilfe rief.
    Manchmal, wenn ich aus einem dieser Horrortrips erwachte, wischte Daddy mir den Schweiß und die Tränen vom Gesicht. Aber es war Stella, die verstand, was da geschah. Eines Nachts war sie bei mir, als ich versuchte,

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