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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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Puppenaugen, gepaart mit dem spöttischen Mund. Sie sieht klasse aus. Das honigblonde Haar, der reizende Nacken, der lange Hals. Los, sag was! »Grüß dich. Ich dachte, ihr hättet das Klingeln nicht gehört.«
    »Doch. Ich höre noch ganz gut in meinen Jahren.« Sie lacht. »So, wo gehen wir hin, Jonathan?«
    Vor lauter Streiten mit Esel bin ich nicht dazu gekommen, mir zu überlegen, wohin ich mit der Frau ziehen soll. Mir wird schon was einfallen. Zum Tanzen ist es jedenfalls noch zu früh. »Fahren wir erst mal los nach Schwabing, dann fällt uns schon was ein.«
    »Prima. Ich mag auch kein langes Planen.«
    »Was hältst du zunächst von einem Tee oder so was im ›Drugstore‹?«
    »Prima.«
    »Ganz nett ist es hier. Bist du öfter im ›Drugstore‹?«
    »Ja, hin und wieder. Weißt du, ich war früher in so einer Clique, und da haben wir uns öfters hier getroffen.«
    »Schön. Und was habt ihr sonst unternommen?«
    »Rumgesessen, gequatscht und Partys organisiert.«
    »So das Übliche.«
    »Ja. Aber auf die Dauer stinklangweilig. Jetzt, wo die meisten von uns das Abi machen beziehungsweise schon gemacht haben und viele aus München weggehen, wird es wohl aus sein. Ist auch gut so! Wir hatten uns zuletzt so gut wie nichts mehr zu sagen. Und du? Was machst du in deiner Freizeit?«
    »Wenig. Ein bisschen lesen, Konzerte und so. Ich bin noch nicht so lange in München. Und da habe ich noch nicht viele Freunde.«
    »Jetzt hast du mich.«
    »Ja.« Sie sieht mich ein wenig verlegen an, grinst aber gleich darauf. »Ja, das wäre ganz schön.«
    Alles klar, Rubinstein! Was ist klar? Sie findet dich sympathisch – na und? Das hat die Taucher zunächst auch getan. Gemach, Reb Jid! Die Taucher ist einige Jahre älter und deine Lehrerin – deshalb hatte sie Angst. Hier ist alles offen. Es liegt alles in deiner Hand – und in ihrer. »Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen zum Tanzen gehen? Hier in der Nähe gibt’s einen Haufen Discos.«
    »Gerne.«
     
    Verdammt! Alle anderen Paare auf der Tanzfläche knutschen und drücken, nur wir tanzen wie »anständige Menschen«. Weil sie mich eisern auf Distanz hält – selbst bei den schwülstigsten Matratzenplatten. Und ich Feigling traue mich nicht, sie einfach an mich zu ziehen. Wenn ich’s ganz vorsichtig versuche? Langsam, sehr behutsam – immer den Rückzug offenlassend – schiebe ich meine Wange gegen ihre. Ein kurzes Zurückzucken, dann bleibt sie. Ich spüre ihre warme Gesichtshaut, rieche eine Mischung aus Körpergeruch, Parfüm und Haarshampoo. Sie fühlt sich so angenehm an. Mir geht es gut.
     
    »Ist doch ganz nett hier, nicht?«, krähe ich, als wir wieder am Tisch sind.
    »Ja, ja.« Auch sie ist unsicher.
    »Weißt du was, Susanne. Mit dir macht es echt Spaß, wegzugehen. Wir sollten das öfters tun.«
    »Ja. Du hast ja jetzt viel Zeit.«
    »Noch nicht.«
    »Ich dachte, du hast gestern dein Abi gemacht?«
    »Ja – aber nur in Deutsch. In zwei Wochen muss ich noch in Mathe, Englisch und Physik ran.«
    »Mensch. Da hast du ja noch allerhand zu tun. Da solltest du nicht so lange hier rumsitzen, sondern pauken.« Originalton Esel – und unsere Mädchen. »Warte mal, wann, sagst du, hast du deine letzte Abi-Prüfung?« Sie fischt einen kleinen Terminkalender aus ihrer Handtasche.
    »So in knapp zwei Wochen.« Susanne hat bereits den Kalender aufgeschlagen.
    »Das heißt, am Wochenende, 13./14. Juni, hast du alles hinter dir.«
    »Ja, am 11. ist das Physik-Abi, und danach ist Schluss.«
    »Prima. Dann können wir uns ja an diesem Wochenende sehen.«
    »An alter Stelle, zur gleichen Welle beziehungsweise Zeit?«
    »Fein. Ich freue mich schon.«
    »Ich auch.«
    »Gehen wir allmählich?« Fehlt bloß noch, dass sie mir erzählt, dass ich jetzt viel Schlaf brauche.
     
    Reb Jid, du musst sie jetzt küssen, es führt kein Weg vorbei. Sie muss wissen, dass du mehr von ihr willst, als gelegentlich zum Tanzen zu gehen. Aber warum kommt sie mir nicht irgendwie entgegen? Weil sie wahrscheinlich genauso viel Bammel davor hat wie du!
    »Jonathan. Es war ein sehr schöner Abend.«
    »Ja.« Was heißt »ja«? Tu was, Mann, ehe sie dir aus dem Auto steigt.
    »Ja, es war wirklich sehr nett mit dir. Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen.«
    »Ich auch.«
    Los, Kerl! Ich beuge mich vor und küsse sie auf die Wange. Sie reagiert überhaupt nicht. Bewegungslos verharrt sie sekundenlang auf ihrem Platz. Dann hellt sich ihre Miene wieder auf.
    »Also dann, tschüss –

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