Rubinsteins Versteigerung
sie, Geld hat sie, gerne hat sie dich auch – obwohl ich sie da nicht verstehe. Auf was wartest du dann noch? Sei einmal in deinem Leben mutig, sage ihr, dass du sie gernhast und dass sie dableiben soll, dann geht ihr noch eine Weile zusammen, und dann, mit Gottes Hilfe, werdet ihr heiraten.« Esel strahlt.
»Aber ich habe keine Lust, Rachel zu heiraten, auch nicht ›mit Gottes Hilfe‹.«
»Warum denn nicht, um Gottes willen?«
Schon wieder Gott! »Weiß ich nicht, ich habe keine Lust.«
»Hast du sie nicht gern?«
»Doch. Aber mehr nicht.«
»Was willst du mehr?«
»Eben mehr. Genau weiß ich es auch nicht. Aber es muss schon ein bisschen mehr sein als einfach mögen.«
»Suchst du die große Liebe?«
»Vielleicht.«
»Du suchst also die große Liebe, du Verrückter. So wasgibt es nur im Kino. Im Leben kommt die Liebe mit der Zeit, wenn man sich besser kennenlernt und viel gemeinsam durchgemacht hat.«
»Verstehe. Dann entwickelt sich so eine Liebe wie zwischen Friedrich und dir. Lieber bleibe ich unverheiratet.«
»Vater und ich lieben uns.«
»Diese Liebe suche ich nicht.«
»Welche dann?«
»Weiß ich nicht. Aber das, was zwischen Friedrich und dir oder zwischen Rachel und mir ist, genügt mir nicht.«
»Schau ihn an! Stellt auch noch Ansprüche. Wer, glaubst du, bist du überhaupt? Ein Nichtsnutz, wenn du es genau wissen willst.«
»Eben. Viel zu schade für Rachel.«
»Genau!« Endlich schreit sie.
»So, und jetzt verschwinde hier, ich möchte mich umziehen.«
»Was machst du jetzt?«
»Ich geh weg.«
»Mit wem?«
»Esel! Lass mich jetzt in Ruhe, sonst passiert was!«
»Sag mir, mit wem du gehst, sonst rühre ich mich nicht vom Fleck.«
»Dann ziehe ich mich eben in deiner Gegenwart um.«
»Gehst du wenigstens mit Rachel weg?«
»Nein!«
»Mit wem sonst?«
»Mit einer Schickse, verdammt noch mal.« Sie hat es wieder geschafft. Ich brülle und erzähle ihr genau, was sie wissen will.
»Das wirst du nicht tun!«, schreit sie mit sich überschlagender Stimme zurück.
Warum muss diese Frau jedes angenehme Gefühl und jede gute Stimmung in mir zertrampeln? Mir ist übel geworden. »Genug jetzt, Esel!«, tobe ich und schiebe sie aus dem Zimmer.
»Rühr mich nicht an, du Schläger!«
Auf dem Flur schreit sie weiter: »Das Auto kriegst du nicht. Ich soll ihm das Auto geben, damit er sich mit Schicksen rumtreibt. Nichts kriegst du! Hast du verstanden? Nichts, gar nichts!«
Ruhig bleiben, Rubinstein! Lass dich nicht provozieren.
Wenige Minuten später gehe ich ins Wohnzimmer, öffne die Kommodenschublade und greife mir die Autoschlüssel. Esel rennt auf mich zu. »Was hast du da herausgenommen?«
»Die Wagenschlüssel, wenn du nichts dagegen hast.«
»Gib sie sofort her!« Sie greift danach, ich ziehe meine Hand weg.
»Wenn du mir nicht sofort die Autoschlüssel gibst, rufe ich die Polizei – so wahr ich hier stehe«, brüllt sie.
Das wird sie zwar nicht tun. Aber die »aufmerksamen« Nachbarn wissen jetzt, dass bei »den Juden« heute wieder was los ist. Ich renne aus dem Haus, schwinge mich hinters Steuer und brause los. In deiner jetzigen Stimmung baust du garantiert einen Unfall. Esel wird sich bestätigt fühlen. Ich biege in die Thierschstraße ein. Parke in der erstbesten Lücke. Ich bin ohne Licht gefahren. Nicht schlimm, es ist noch einigermaßen hell. Erst drei viertel acht. Da kann ich noch eine Weile an der Isar spazieren gehen, um mich wieder einigermaßen zu beruhigen.
Verdammt, jetzt warte ich schon mindestens eine Minute vor der Haustür, und nichts rührt sich. Ob sie wohl weg sind? Ach was, die müssen doch auf den Rotzlöffel aufpassen. Oder will Suse mich einfach nicht sehen? Unsinn, dann hätte sie sich doch nicht mit mir verabredet. Was heißt hier verabredet? Ich habe ihr die Verabredung doch aufgedrängt. Was ist ihr schon übriggeblieben, als ja zu sagen. Nein, zum Beispiel. Wenn sie zugesagt hat, dann wird sie sich schon nicht verstecken. Warum macht sie dann nicht auf? Weil sie dein Geklingel nicht gehört hat, beispielsweise. Vor lauter Nervosität hast du sicher auf den falschen Knopf gedrückt oder zu kurz oder weiß Gott was. Du musst also nochmals klingeln. So, ganz ruhig, Rubinstein, den rechten Zeigefinger auf den Knopf über »Weber« und jetzt kräftig drücken … so.
Im gleichen Moment schiebt sich Susannes Kopf aus der schweren Holztür.
»Na, na, wer wird denn so ungeduldig werden?«
Ich bin verdattert. Wieder diese schelmischen
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