Rubinsteins Versteigerung
bis zum übernächsten Samstag, Jonathan.«
»Servus.«
Sind die Schicksen wirklich so anders als unsere Mädchen? Ihr ist mein Abi ebenso wichtig wie zuvor der Rachel.
Sie ist zumindest so schüchtern wie unsere Frauen. Dass sie immer »ja« und »prima« sagt, ist auch nichts Besonderes – da steht ihr Rachel kaum nach. Und dass sie fast ständig gute Laune hat und ich mich in sie verliebt habe, hat nun wirklich nichts damit zu tun, ob sie zu uns oder zu ihnen gehört.
GRIECHENLAND
»Na du, wie geht es dir? Ich hab dich richtig vermisst in den letzten zwei Wochen.«
»Ich dich auch.« Sie mag mich noch immer. Und ich Idiot habe jeden Tag befürchtet, dass sie die Lust verlieren würde, mich wiederzusehen. Warum bin ich so unsicher? Die Taucher, die Mara und Ruchale haben mich doch auch gerngehabt. Weshalb soll Suse mich dann nicht mögen?
»Und was unternehmen wir heute Abend?«
»Wir gehen zu meiner Schwester.«
»Hat sie eine eigene Bude, oder wohnt sie auch bei deinen Eltern?«
»Nein, sie ist in Schwabing.«
»Weiß sie überhaupt, dass wir kommen?«
»Nein.«
»Du, ich weiß nicht, ob das richtig ist, die kennt mich doch gar nicht.«
»Keine Sorge,
die
Schwester freut sich bestimmt über unseren Besuch.«
»Meinst du?«
»Komm, steig ein, es wird dir bestimmt gefallen.«
Heute gab es ausnahmsweise keinen Kampf ums Auto mit Esel.
»Übrigens, wie ging es dir beim Abitur?«
»Ich hoffe sehr, dass es gereicht hat. Sonst sieht es bitter aus.«
Ich parke den Wagen in der Türkenstraße auf Höhe der Schellingstraße. Ein angenehmer, lauer Wind streicht durch die Straße. Vor den Schaukästen des Türkendolch-Kinos bleiben wir stehen.
»Warst du schon mal in einer Spätvorstellung im ›Türken‹, Susanne?«
»Nein. Wieso?«
»Weil es jedes Mal ein irrer Spaß ist. Die Zuschauer sind meist Studenten, Ausgeflippte oder Gaudivögel. Sobald das Licht ausgeht, geht’s im Zuschauerraum los. Die meisten pfeifen, klatschen oder brüllen einfach so durch die Gegend. Viele nehmen Bierflaschen mit ins Kino, die sie später nach vorn rollen lassen. Auch Obstschalen, Tüten und weiß Gott sonst was fliegen durch die Gegend. Das Lustigste aber sind die Bemerkungen. Jede Szene wird lautstark kommentiert – sonst wird man ja nicht gehört. Es ist deshalb vollkommen unwichtig, in welchen Film man geht, Gaudi gibt’s immer.«
Wir schlendern weiter Richtung Kunstakademie. Nach etwa hundert Metern bleibe ich stehen und öffne eine Lokaltür.
»Komm, Susanne.«
»Ich dachte, wir wollten zu deiner Schwester?«
»Sind wir auch. Der Laden heißt ›Meine Schwester und ich‹.«
»Blödmann, mich so reinzulegen.«
»Du wirst sehen, nicht nur der Name ist hier originell.«
Innen ist alles dunkel und stumpf: der verwaschene, glanzlose Holzboden, die Holzsessel und -tische. Der Raum wird von matten Deckenleuchten, Tischkerzen und gelbgrünem Licht aus dem Aquarium erhellt.
Wir schlängeln uns durch enge Tischreihen. Am schmalen Zweiertisch unterhalb des Aquariums nehmen wir Platz. Die Wasserschildkröten paddeln mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Geschicklichkeit zwischen Pflanzen und Steinen hin und her.
»Die sind ja richtig fix. Nicht so langweilig wie Landschildkröten.«
»Ich liebe Landschildkröten aber mehr. Als Kind in Israel habe ich am liebsten mit ihnen gespielt.«
»Reagieren die überhaupt? Mir kommen Schildkröten so eintönig vor.«
»So eintönig, wie sie aussehen, werden sie wohl kaum sein. Schildkröten gehören zu den ältesten Tierarten. Sie müssen sich also trotz ihrer Langsamkeit fixer als andere Tiere auf die veränderte Umwelt eingestellt haben. Und weil sie so schonend und weise mit ihren Kräften umgehen, werden sie sehr alt. Das imponiert mir, denn ich lebe unheimlich gern. Auch ich möchte sehr alt werden.«
»Ich nicht.« Sie wird ernst.
»Weshalb?«
»Weil die Leute dann nicht mehr gesund sind und meist auch recht merkwürdig werden. Meine Oma, die war dieletzten Jahre nicht mehr richtig im Kopf. Das war wirklich schlimm. Man konnte ihr kaum helfen. Ich musste öfters auf sie aufpassen, und wenn sie mir dann auf die Nerven ging, habe ich sie ordentlich gepiesackt. Das hat mir danach immer furchtbar leid getan, aber das nächste Mal war es wieder das Gleiche. Als sie vor einem Jahr starb, habe ich entsetzliche Gewissensbisse bekommen, aber da war es schon zu spät.«
Merkwürdig. Ich dachte, Eltern piesacken mit anschließenden Gewissensbissen wäre unsere
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