Rubinsteins Versteigerung
mein Vater? Ich weiß nicht, aber ich stelle mir vor, dass er auch nicht begeistert wäre zu erfahren, dass ich mit einem Juden befreundet bin. Wir hätten also die ganze Zeit Druck von unseren Familien. Und du hast ja gesehen, wie ich auf Druck reagiere.« Ihre Stimme bricht, sie heult und verbirgt erneut ihr Gesicht. »Ich laufe einfach davon, ich Feigling.«
Ich nehme sie in den Arm. Wie kann ich sie trösten? Mir selbst ist elend. Reiß dich zusammen, Kerl! Wenn du ihr jetzt nicht hilfst, ist alles aus. Ich küsse sie auf die tränennasse, salzige Wange.
»Susanne! Nimm dich ein wenig zusammen, bitte. Mit Heulen erreicht man gar nichts.« Wenn das der Führer sehen könnte. Der Jude Rubinstein predigt der Tochter seines SS-Mannes Andreesen Disziplin. »Suse, es geht doch um uns, nicht um unsere Eltern. Wir haben uns doch lieb, oder?«
»Sicher.« Sie legt ihren warmen Arm um meinen Hals. »Aber das ändert doch gar nichts. Ich könnte diesen Kampf einfach nicht durchhalten. Und das war erst der Anfang! Stell dir vor, wenn ich jetzt noch Druck von meiner Familie bekäme, an der ich ziemlich stark hänge. Ich würde dich aufgeben, ich kenne mich.«
»Aber du hast doch mich! Ich werde dir helfen!«
Sie blickt mich wieder an. »Du? Dass ich nicht lache! Das geht über deine Kräfte. Du bist von deiner Mutter abhängiger, als du es dir selbst eingestehst. Wenn diese furchtbare Frau – entschuldige, aber für mich ist sie furchtbar …«
»Auch für mich.«
»Wenn deine Mutter mit ihrer unerschöpflichen Energie Tag für Tag gegen mich ankämpft, wirst du sehr schnell kapitulieren. Dieser Frau bist du nicht gewachsen.«
»Dann ziehe ich eben von zu Hause aus.«
»Jonathan!« Sie schreit mich mit schluchzender Stimme an.
»Jonathan, wieso machst du dir ständig was vor? Du bist nicht so stark und gefühllos. Du bist deiner Mutter nicht gewachsen. Du bist von ihr abhängig, glaub es mir. Und die Vergangenheit ist auch in dir noch sehr lebendig. Du musst dich nur mit einem Mann wie Herrn Frankfurter unterhalten, und schon träumst du, dass du vergast wirst. Du kannst diese Vergangenheit nicht über Bord schmeißen, nur weil du mich kennengelernt hast.«
»Will ich auch gar nicht.«
»Eben. Drum lass uns Schluss machen.«
»Nein!«
»Sei nicht störrisch wie ein Kind.«
»Das hat mit Kindsein überhaupt nichts zu tun. Stimmt, es hat mich schockiert, zu erfahren, dass dein Vater in der SS war. Und es mag richtig sein, dass ich in gewisser Weise von meiner Mutter abhängig bin. Aber in einem ähnele ich ihr ganz gewiss: Wenn mir etwas wichtig ist, kämpfe ich dafür. Und du bist mir verdammt wichtig.«
»Und was ändert sich dadurch? Nichts! Wenn ich dich so reden höre und mich an die Szenen bei deiner Mutter erinnere, kann ich mir gut vorstellen, dass auch du kämpfen kannst. Nicht so rücksichtslos wie deine Mutter, aber sicher auch nicht ohne. Du wirst um mich kämpfen, das glaube ich dir. Und deine Mutter wird um so verbissener gegen michwettern. Nur – ich, ich würde das nicht aushalten. Ich bin kein so starker Mensch wie du und deine Mutter.«
»Ist unsere Beziehung nicht wert, dass sie verteidigt wird?«
»Ich weiß nicht. Ach was, doch, nur ich kann das nicht. Und ich glaube, trotz allem guten Willen würdest du gegenüber deiner Mutter rasch den Kürzeren ziehen. Du bist nämlich ein sehr feinfühliger Mensch, was man von deiner Mutter nicht behaupten kann.«
»Soll das heißen, dass du mich nicht wiedersehen willst?«
»Das soll es nicht heißen. Sicher will ich dich wiedersehen. Nur im Moment geht es eben nicht.«
»Wann dann?«
»Das weiß ich nicht.«
»Was heißt das?«
»Dass ich es einfach nicht weiß.«
»Verstehe ich nicht.«
»Bist du so schwer von Begriff? Sobald sich unsere Gefühle abgekühlt haben.«
»Spinnst du?«
»Wieso?«
»Was ist das für eine Logik, zu warten, bis die Gefühle weg sind, und sich dann erst wiederzusehen?«
»Das ist meine Logik. Meine deutsche Logik, wenn du so willst.«
»Ich sehe hier weder Logik noch etwas Deutsches.«
»Es ist mir egal, was du siehst. Ich weiß, dass ich es nicht aushalten würde, dauernd von deiner Mutter – und wahrscheinlich auch von meinen Eltern – fertiggemacht zu werden. Aber ich möchte dich als guten Freund behalten.«
»Dann musst du ganz auf mich verzichten.«
»Das will ich aber nicht.«
»Dir wird nichts anderes übrigbleiben, Suse.«
»Jonathan. Mach es mir nicht so schwer, es ist nämlich zwecklos.
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