Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
Lackfarbe erkennen, ebenso im Flor des Teppichs. Es waren jeweils zwei Buchstaben, immer die gleichen.
»LB?«, sagte Ruby versuchsweise.
Die Frau nickte und hätte fast gelächelt. »LB ist korrekt. Ich bin hier der Boss.«
»Und wo bitte schön ist ›hier‹?«, fragte Ruby.
»Die Zentrale, das Headquarter – hier laufen sämtliche Informationen zusammen.«
»Wie bitte?«
»Nun, wenn du unbedingt einen Namen brauchst – Spektrum«, sagte die Frau.
»Bedauere«, sagte Ruby. »Sagt mir noch immer nichts.«
»Soll es auch nicht«, sagte die Frau. »Spektrum ist eine Geheimdienstagentur – ein sehr geheimer Geheimdienst.«
»Oh, scheint so«, sagte Ruby. »Ich hab tatsächlich noch nie davon gehört. Für wen arbeitet Ihre Agentur, für die Regierung?«
»Sagen wir der Einfachheit halber, dass wir nicht für die Regierung, aber auch nicht gegen sie arbeiten, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Soll vermutlich heißen, dass ihr die Guten seid.«
»Ja, wir halten uns ehrlich gesagt für die ganz, ganz Guten, aber die Guten reicht schon.«
»Jeder hält sich für die Guten«, sagte Ruby.
»Stimmt«, räumte LB ein, »aber in unserem Fall trifft es zufällig zu.«
»Nun, das wissen Sie vielleicht, aber woher soll ich es wissen?«
LB holte tief Luft. »Wie ich hörte, giltst du als hochintelligent, nicht zuletzt dank deiner unfehlbaren Instinkte. Okay, dann stell dir die Frage: Was hat dich hierher geführt? Waren es deine exzellenten Instinkte oder einfach nur Neugier? Würdest du wirklich durch einen engen, stickigen, stockdunklen Tunnel kriechen, wenn du denken würdest, wir seien die Bösen?«
Da war was dran.
»Und wofür steht LB?«, wollte Ruby wissen.
»Nicht dein Bier, wie man in deinem Alter vermutlich sagt«, erwiderte LB.
»Kein Mensch in meinem Alter würde so was sagen – außer er wollte vorgeben, in Ihrem Alter zu sein!«
Diese freche Antwort prallte jedoch an LB ab, die seelenruhig eine Schublade aufzog und einen roten Plexiglasordner herausholte. »Willst du wissen, warum wir dich durch den Tunnel kriechen ließen?«
»Ja, schon …«, sagte Ruby gedehnt – als wäre es ihr piepegal.
LB schlug den Ordner auf. »Vor fünf Jahren wurden wir zum ersten Mal auf dich aufmerksam. Wir studierten den Code, den du beim Junior-Codeknacker-Wettbewerb eingereicht hattest, und erfuhren von dem Angebot der Universität Harvard – ich nehme an, du erinnerst dich.«
»Ja, klar«, murmelte Ruby – es war eine Sache, an die sie sich nicht gern erinnerte. Die viele Aufmerksamkeit war ihr ziemlich auf den Keks gegangen.
»Wir waren schon damals an dir interessiert, doch als wir erfuhren, wie jung du warst, haben wir es uns anders überlegt. Kleine Kinder können wir nicht brauchen.«
»Aha! Halten Sie mich jetzt nicht mehr für ein kleines Kind?«
»Doch, ehrlich gesagt. Aber wir sind in einer verzweifelten Lage«, erklärte LB.
»Wow, Sie verstehen es echt, einem zu schmeicheln!«
LB blieb weiterhin sehr ernst. »Wir beobachten dich schon seit ein paar Jahren. Seit wir dich auf dem Radar haben, verfolgen wir deine schulischen Leistungen und deine Noten. Du bist nicht normal.«
»Das soll jetzt ein Kompliment sein, richtig?«
»Nein, so würde ich es nicht nennen.«
Ruby zuckte die Schultern. »Wieso ließen Sie mich dann kommen?«
»Ich muss wissen, ob du bereit bist, für uns zu arbeiten – selbstverständlich nur auf einem Gebiet, auf dem du dich auskennst.«
»Und was soll ich tun?«, fragte Ruby.
»Wir werden dir die Details zum gegebenen Zeitpunkt mitteilen, aber im Moment muss ich wissen, ob du dabei bist, oder nicht?«
»Sie müssen ja großes Vertrauen in mich haben.«
»Entweder das, oder ich bin verrückt«, sagte LB und widmete sich wieder ihren Papieren.
»Woher wollen Sie wissen, dass Sie mir vertrauen können?«, hakte Ruby nach.
LB hielt in einer Bewegung inne und blickte auf. »Wir gehen davon aus. Uns ist nicht entgangen, dass du ein Geheimnis für dich behalten kannst.«
»Und wenn Sie sich täuschen?«, fragte Ruby.
»Tja, wenn wir uns täuschen«, sagte LB, seufzte und beugte sich vor. »Wenn du doch ein Plappermaul bist, wer, denkst du, würde dir glauben?«
Das stimmte. Für eine Schülerin wäre es sicher ziemlich schwierig, jemanden außer Clancy Crew davon zu überzeugen, dass es irgendwo unter der Stadt eine Geheimdienstzentrale gab, zu der man aber nur gelangte, wenn man sich die Mühe machte, neben dem alten, vergammelten Schild der ehemaligen
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