Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
voraus in das kleine Büro, in dem sich der Monitor befand. Er spielte das Band bis zum Vorabend gegen acht Uhr zurück. Die Bilder waren etwas unscharf, aber man konnte erkennen, dass es eindeutig Ruby war, die mit dem Rad angefahren kam, es abstellte und strahlend auf einen Wagen zulief. Sie sahen, dass das Fenster auf der Fahrerseite heruntergekurbelt wurde und eine Hand auftauchte. Man konnte den Fahrer nicht sehen, genauso wenig wie Rubys Gesichtsausdruck, aber … wich sie da nicht instinktiv einen kleinen Schritt zurück?
Clancy hielt das Band an und betrachtete den Wagen ganz genau.
»Sieht das wirklich wie mein Wagen aus?«, fragte Hitch.
Clancy ging bis ganz dicht vor den Monitor; der Wagen stand leider so, dass man das Kennzeichen nicht sehen konnte, aber er entdeckte einige Details, die nicht nach Hitch aussahen.
»Glaubst du im Ernst, ich würde ein Auto mit so bescheuerten Radkappen fahren?«, fragte Hitch. Es stimmte, die Radkappen waren etwas protzig, und als Clancy noch genauer hinsah, sah er auch, dass es kein Cabrio war.
Plötzlich lief es ihm kalt über den Rücken.
Hitch wandte sich zum Gehen. »Wenn du bereit bist, zu reden, ruf diese Nummer an.« Er legte eine kleine Karte auf den Tisch und ging davon. Das Einzige, was Hitch bei seinem Besuch erfahren hatte, war, dass Ruby die Wahrheit gesagt hatte, was Clancy Crew betraf: Der Junge konnte schweigen wie ein Grab.
35. Kapitel
Sieben Leben
Sobald er hörte, dass Hitchs Wagen weggefahren war, schnappte sich Clancy ein Sweatshirt und Hitchs Kärtchen und rannte zur Haustür. Unter der Tür blieb er noch einmal kurz stehen und rief: »Ich geh nur schnell zu Ruby, okay?«
»Aber sieh zu, dass du zum Museumsempfang rechtzeitig zurück bist!«, rief seine Mutter. Doch da war Clancy schon weg. Er sprang auf Rubys Fahrrad und flitzte in Richtung von Amster Green davon.
In Everglade bog er nach rechts ab und radelte dann immer geradeaus, bis er zu dem kleinen Park gegenüber des Double Donut Diner kam. Er lehnte das Rad an den Zaun und marschierte dann zielgerichtet auf die große Eiche zu. Clancy war seit einiger Zeit nicht mehr dort gewesen, aber an diesem Tag hatte er das Gefühl – oder besser gesagt, eine Vorahnung –, dass es sich lohnen würde.
Er blickte sich um – niemand beobachtete ihn. Deshalb schwang er sich auf den ersten Ast und kletterte dann höher und höher. Ohne zu zögern, griff er in ein ganz bestimmtes Astloch, tastete herum – und fand etwas. Als er die Hand wieder herauszog, hatte er einen Papierkranich in den Fingern. Der Kranich war ein Symbol für Loyalität, und als er ihn auseinanderfaltete, las er auf dem Zettel:
Falls mir etwas zustößt,
rede mit dem Butler.
Es war schwer zu sagen, ob Ruby es aus Spaß geschrieben hatte oder ob sie wirklich gespürt hatte, dass sie in Gefahr war.
Aber Clancy wusste nun, was zu tun war.
Er rannte zur nächsten Telefonzelle, wählte die Nummer auf der Visitenkarte, und schon nach einmaligem Läuten nahm jemand ab.
»Sie hat mir erzählt, dass sie für Spektrum gearbeitet hat, nicht freiwillig, aber ich habe ihr keine Ruhe gelassen, bis ich sie weichgeklopft hatte.«
»Das ist inzwischen egal«, sagte Hitch. »Sag mir einfach, was du weißt – Ruby hat mir etwas von einer Rothaarigen erzählt, die dir aufgefallen ist, richtig?«
»Ja«, sagte Clancy, »stimmt. Aber eigentlich uns beiden.«
»Kannst du in die Maverick Street Nummer 101 kommen?«, sagte Hitch. »Weißt du, wo das ist?«
»Ja, ich denke, das finde ich«, sagte Clancy.
Genau fünfundzwanzig Minuten später traf Clancy im Büro von Spektrum ein. Er war völlig außer Atem und hatte einen Mordsdurst, doch als Hitch ihm die Tür öffnete, hatte Clancy es auf einen Schlag vergessen.
»Ich bin zuerst auf die Frau aufmerksam geworden«, sagte Clancy.
»Redest du von der Rothaarigen?«, hakte Hitch nach.
Clancy nickte. »Als ich sie auf dem Twinford Square sah, wusste ich sofort, dass ich sie schon mal woanders gesehen hatte, aber mir ist nicht eingefallen, wo .«
»Also seid ihr ihr gefolgt?«
»Ja, sie ging ins Grand Twin Hotel, und wir konnten uns in ihr Zimmer schmuggeln.«
»Was habt ihr dort gemacht?«
»Na ja, Ruby hat sich die Fotos angesehen, die auf dem Schreibtisch lagen …«
»Und du?«
»Mir fiel auf, dass diese Frau unheimlich viele Brillen hatte, mit riesigen getönten Gläsern, aber es waren gar keine Sonnenbrillen, weil man sie auch im Haus tragen kann.«
»Und weiter?«
»Ruby
Weitere Kostenlose Bücher