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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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beiläufig mit den Schultern und sagte: "Ich soll morgen pünktlich sein. Die Standpauke kommt noch."

Niall sah vorsichtig von einem zum anderen. Er konnte zunächst den Begriff
    Kraut
nicht einordnen, aber seine Nase erzählte ihm, was es war, als Ethan die Schachtel öffnete. Hier in der Ecke und in dieser Gesellschaft kamen die Konsumenten offensichtlich leicht an diese Sachen heran, weil sie näher am Erzeuger waren. Vermutlich standen die Pflänzchen in jedem geschützten Hinterhof und Dachboden.
"Ich klär das auf", sagte Ethan, "dann soll er mir den Kopf kürzer machen."
"Er wird mich schon nicht rausschmeißen."

Weil Niall nicht den ganzen Tag in der Küche herumsitzen wollte, liehen sie sich die Schrottkarre vom Mexikaner und Ruby zeigte ihm die Stadt und die Umgebung. Weil die gleichgeschaltete Wohngegend mit ihren einfachen Wohnhäusern wenig aufregend war, besonders im Winter, fuhren sie über die Landstraßen. Auf den weiten schneebedeckten Feldern zwischen Winslow und China beobachteten sie eine Gruppe Snowmobilefahrer, und Niall sagte, wenn sein Gipsbein nicht wäre, würde er das auch ausprobieren. Zum Aufwärmen tranken sie heißen Kakao mit Sahne in einem Café am Straßenrand und Niall bekam einen Schluckauf. Er behauptete, mit einem Irish Coffee wäre ihm das nicht passiert.
"Wir müssen noch tanken, bevor wir zurückfahren", sagte Ruby.

An der nächsten Tankstelle stöckelte Niall bei den Zeitungen herum und wunderte sich einen Moment lang über die reichhaltige Auswahl der örtlichen Presse. Es schien, als habe jeder Rinder-Zuchtverband seine eigene Zeitung herausgebracht, aber er entdeckte auch den National Inquirer und Fernseh-und Modezeitschriften.
Über der Theke bei der Kasse hing ein kleiner Fernseher, auf dem Sportnachrichten liefen. Als Ruby das Benzin bezahlte, schaltete der Tankwart gerade auf die Nachrichten um und Niall brauchte dort nur fünf Minuten zuzusehen, um zu begreifen, dass er nach Boston musste. Ruby bekam davon nichts mit, sie kramte aus allen Taschen das Benzingeld zusammen und Niall legte den fehlenden Rest aus eigener Tasche dazu.
"Ich würde diese Schrottkarre nicht freiwillig fahren, aber der Mexikaner ist der Einzige, der seinen Wagen verleiht, ohne Fragen zu stellen. Einmal ist Cotton eine Woche mit ihm verschwunden und der Mexikaner hat nicht mal gefragt, wo er gewesen ist."
"Bei so einem Wagen würde ich mir auch keine Sorgen darum machen."
"Fahren wir nach Hause?"
"Okay", sagte Niall.
Um nach Boston zu kommen, würde er lieber auf einem Bein den langen Weg dort hin hüpfen, als sich die Monsterkarre vom Mexikaner auszuleihen.

Abends saßen sie alle in der WG zusammen, tranken Bier und Wein, und als Ethan sich zu seiner Schicht verabschiedete, schloss Niall sich an.
"Wo willst du hin?"
"Ich brauche eine Fahrkarte nach Boston."
Ethan stellte keine Fragen. Niall hätte ihm von seinem Boss erzählen können, den er im TV in der Tanke gesehen hatte, als er bei einer Pressekonferenz ein paar Worte zu seinem neuen Werk sagte. Niall hatte auf seiner Flucht vollkommen verdrängt, dass die Promotiontour an der Ostküste bevorstand und er dazu dringend gebraucht wurde. Jetzt war der Boss wieder in Boston und vermutlich hatte das Familienteam schon längst Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden. Oder sie hatten einen Ersatz gefunden.
Aber es half alles nichts - er musste nach Hause.
Er hatte gehofft, eine einfache Busfahrkarte nach Boston wäre billiger und nach vielem Hin und Her meinte er, er würde das Geld, was er für den Eisbären bekommen hatte, doch lieber sparen und per Anhalter fahren.
"Könnte klappen", sagte Ethan, "mit der Krücke könnten die meisten Mitleid mit dir haben und dich mitnehmen. Oder sie fahren an dir vorbei, weil sie fürchten, von dir mit der Krücke eins drüber zu kriegen."
"Das nehm ich in Kauf."

Winslow hatte am späten Abend nichts Aufregendes zu bieten und Niall zog es wieder in den Supermarkt, wo er das Schwarze Brett in der Hoffnung studierte, er könne einen Anschlag finden, wo jemand einen Mitfahrer nach Boston suchte. Niemand suchte so jemanden, aber er fand Katzenbabys, die ein neues zuhause suchten, jemand bot einen defekten Generator an und ein anderer hatte handschriftlich darunter geschrieben: Meinst du das ernst, du Idiot?
Niall kaufte eine kleine Flasche Orangensaft und eine Packung Kopfschmerztabletten. Der Pakistani hinter der Kasse nahm sein Geld und bedachte ihn gleichzeitig mit misstrauischen Blicken.

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