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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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rechten Fuß immer knapp über dem Fußboden und hatte das Knie dazu angewinkelt, so stöckelte er auf sie zu und sie wagte nicht, den Blick von dem Fell zu nehmen.
"Wenn du die Einladung pünktlich bekommen hast, hättest du den Anstand haben können, kurz anzurufen, Ruby. Wenn du kein Benzingeld für die Anreise hattest, hättest du bei Helen mitfahren können, wenn das dein Problem war."
Ihre Mutter wusste genau, dass sie kein Auto hatte. Aber längst hörte Ruby nicht mehr hin, sah den Eisbären auf sich zukommen und murmelte besorgt in ihr Handy: "Tut mir leid, ich muss Schluss machen, Mom. Kundschaft."
Sie drückte das Gespräch weg, schaltete das Handy aus. Wurde ihre Mutter abgewürgt, hatte sie die Angewohnheit, fünf Minuten später noch einmal anzurufen.

Endlich war der Eisbär nahe genug heran, dass sie ihn sich genauer ansehen konnte.
Das monströse gelbliche Kostüm endete irgendwo über den Knien, war so weit geschnitten, dass es wie ein Sack von den Schultern herunterhing. Die Ärmel, aus denen die Hände herausschauten, waren so breit wie Hosenbeine und im Nacken hing eine Art Kapuze, von der Ruby begriff, dass es das Kopfteil war. Vermutlich mit niedlichen kleinen runden Ohren an den Seiten. Der Mann, der diesen gehäuteten Eisbären trug, hatte lockiges schwarzes Haar, was ihm bis in die Augen hing, deshalb konnte sie nicht sehr viel vom restlichen Gesicht sehen. Er hatte den Rollkragen seines dicken Pullovers bis zur Nasenspitze hochgezogen. Ruby dachte ganz kurz an einen Überfall, aber wer mochte schon so dumm sein und versuchen, einen Ticketschalter zu überfallen.
"Kann ich ihnen helfen?", wollte sie fragen, aber stattdessen kamen die Worte heraus: "Sucht der Zoo sie bereits?"
Es passierte so schnell, dass sie glaubte, diese Frage hätte jemand anderes gestellt. Sie fand es zum Schreien komisch und gleichzeitig war es ihr peinlich und sie hoffte, dass sie nicht rot geworden war.
"Der Zoo nicht", bekam sie zur Antwort. Er hatte den Rollkragen heruntergezogen, aber aufgrund eines wuchernden schwarzen Vollbarts war von ihm noch immer nicht viel zu sehen. Er schien noch etwas sagen zu wollen, wandte sich dann aber ab und hinkte zu seiner Bank zurück.

    Oh, den hast du beleidigt
, dachte Ruby,
    aber spätestens in ein paar Stunden ist er verschwunden. Ist in den nächsten Bus Richtung Südpol gestiegen und fort ist er. Oder Nordpol?

Das konnte sie sich nie merken.

Ruby wagte es nicht, ihr Handy wieder einzuschalten, wartete auf Ethan zur Ablösung und las zwei Kapitel in ihrem Taschenbuch. Ethan kam zu spät.
"Ich hab versucht, dich anzurufen", sagte er, "aber dein Handy ist aus."
Ethan machte nicht den Eindruck, als habe er sich abgehetzt auf dem Weg zur Arbeit. Die WG lag auf der anderen Seite von Winslow, in einer Gegend, die aus alten baufälligen Häusern und beschädigten Straßen bestand. Der größte Teil der Straßenbeleuchtung war schon vor Jahren verschwunden. Es waren nur drei Straßenzüge, die so heruntergekommen waren, weil die Hauseigentümer irgendwann die Investitionen gescheut hatten. Hinter der Talbot Street kamen nur noch Felder und die Rinderweiden, unterbrochen von kleinen Wäldern. Das Haus der Olsons lag in der Peripherie dieser üblen Gegend.
"Ist dein Akku leer?" Er trug einen rotkarierten Mantel, eine mutige Hommage an Paul Bunyan, dazu einen schwarzen Strickschal, der so lang war, dass er Gefahr lief, auf die Enden zu treten und sich zu erdrosseln. Er war ebenfalls zu lang, um elegant über die Schulter geworfen zu werden.
"Nein", sagte Ruby, "meine Mutter hat angerufen."
Ethan schubste den Bürostuhl an, auf dem sie noch saß, rollte sie ein Stück durch die Kabine, und sie warf das Taschenbuch nach ihm, als er sagte: "Du hättest doch nach Hause fahren sollen."
Ihr letztes Thanksgiving war eine einzige Katastrophe gewesen. Sie hatte sich dazu überreden lassen, die Feiertage bei ihren Eltern zu verbringen. Nicht nur, dass sie gezwungen gewesen war, sich mit ihrer geliebten Schwester in dem Trailer ein Bett zu teilen, nachdem es unmöglich gewesen war, nach dem gemeinsamen Abend einfach abzureisen, zusätzlich hatte ihre Mutter zum Abend ein paar der alten Freunde eingeladen. Nicht ihre alten Freunde, Rubys und Helens alte Freunde.
In dieser Hinsicht waren sie und Helen sich einig gewesen. Diese unfreiwillige Begegnung war hochnotpeinlich gewesen und sie hatten keine Ahnung, was ihre Mutter damit hatte bezwecken wollen.

Von den Jungs hatten nur zwei die Einladung

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