Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
Vom Netzwerk:
Gipsbein zu verdanken, dass ihn niemand als Bedrohung ansah.

Das Bein hatte er sich bei einem dummen Unfall gebrochen, was seinem Job als Fahrer ein jähes Ende bereitet hatte. Er hatte gehofft, es wäre nur angebrochen oder verstaucht und würde von allein heilen, aber als die bärtige Frau ihn ins Hospital gefahren hatte, hatten die ein Röntgenfoto gemacht und ihm den Gips verpasst.
Der Unfall war nicht ihre Schuld gewesen. Sollte jemand fragen, würde er irgendetwas erfinden, wie, er habe sich mal wieder vor dem verdammten Alligator erschreckt, weil ihm der Unfall peinlich war.

Im Busbahnhof war es kalt aber trocken und in seinem Rucksack waren noch einige Packungen mit Schokoriegel und Popcorntüten, mit denen er sich über Wasser halten konnte. Bei seiner Flucht aus der Kuriositätenshow hatte er sich alles gegriffen, was gerade in Reichweite gewesen war.

Er sah die drei Schichten an dem Ticketschalter kommen und gehen, beobachtete die einrollenden Busse von Greyhound und Peter Pan und zog sich die Kapuze seines schwarzen Sweaters über den Kopf, wenn ihm die Blicke der Passagiere, die an ihm vorbeizogen, zu unangenehm wurden. Eine Weile hatte er versucht, vor dem Gebäude Kleingeld in einem Pappbecher zu erbetteln, aber ein Uniformierter hatte ihm deswegen auf die Finger geklopft und ihn ermahnt, es nicht zu tun. Seine Krücke hätte dabei geholfen, ein wenig Geld zusammenzubekommen. Niall wusch sich im Toilettenraum des Busbahnhofs, holte sich dort sein Trinkwasser, was er sich in einer Pepsiflasche abfüllte. Wenn er zu wenig trank, bekam er Kopfschmerzen.

Irgendwann raffte er sich auf, um die Rothaarige hinter dem Schalter nach einem Pfandhaus in der Nähe zu fragen, aber er tat es dann doch nicht, als er vor ihr stand. Winslow war vermutlich zu klein für ein Kino, zu klein für eine Shopping Mall und auch zu klein für ein Pfandhaus. Sie dachte, er sei eine Eisbärimitation aus dem Zoo.

Niall brachte eine weitere Nacht in Winslow hinter sich, wagte sich dann für einen weiteren langweiligen Tag zurück in den Busbahnhof.
Nachdem der Blonde mit den Segelohren die Spätschicht übernommen hatte, dachte er, er könnte es noch einmal wagen, sich nach einem Pfandhaus zu erkundigen.

    Wenn die Jungs mich so sehen würden
, dachte er,
    die würden es nicht glauben.

Wieder klemmte er sich die Krücke unter die Achsel und ruderte auf den Ticketschalter zu. Der Blonde blätterte gerade in einer Fernsehzeitung, legte diese aber sofort beiseite. Niall beugte sich etwas zu dem Fenster hinunter, um nicht so laut sprechen zu müssen. Die Akustik in der Halle war genial.
"Sie können mir mit einer Auskunft weiterhelfen, ja? Ich suche ein Pfandhaus hier in der Nähe." Er machte eine Geste, dass klar war, dass er das Bärenfell loswerden wollte. Was auch sonst. Sein Akzent war noch immer zum Fürchten, ebenso seine Grammatik, auch wenn er sich Mühe gab, wie ein Einheimischer zu sprechen.
Ethan sah ihn prüfend an, erhob sich, machte eine
    Einen-Moment-Geste
und verschwand nach hinten. Seine große dünne Gestalt war hinter einer Art Schranktür verborgen, dann kam er zurück und brachte einen Becher Kaffee mit. Er öffnete das Fenster und schob Niall den Becher entgegen.
"Der nächste Pfandleiher", sagte er dann, "ist in Norway, eine Meile die 225 hoch. Aber um diese Uhrzeit wird niemand einen Tramper mitnehmen."
"Das ist kein Problem", sagte Niall, atmete in den Kaffee und trank ihn in kleinen Schlucken. Er verabscheute Kaffee, er war Teetrinker. Aber es war Tage her, dass er etwas Heißes getrunken hatte und er konnte die Hitze an seinen Magenwänden spüren. Das tat gut.
"Ich werde morgen früh losziehen."
"Sie sitzen hier schon etwas länger."
"Ich hatte gehofft, es würde sich was anderes ergeben."
"Der Pfandleiher ist nicht die beste Lösung. Der alte Sack bescheißt."
"Ich hab nicht viel Alternativen."
"Vielleicht einen Kostümverleiher."
"Der wird wissen wollen, wo's herkommt?"
"Ich kenne jemanden, der einen kennen könnte." Ethan fischte sein Handy aus der Hosentasche und tippte eine Telefonnummer ein.
"Ethan hier", sagte er, "hol mir mal den Mexikaner ran." Während er wartete, streckte er Niall die Hand durch das Fenster entgegen und sagte: "Ich bin Ethan."
"Niall. Und danke schon mal."
"Mex, kennst du einen Kostümverleiher in der Nähe? Nein, wir wollen was loswerden gegen Bares. Extrem ausgefallen." Er horchte, sah Niall an und fragte: "Ist der Pelz echt?"
"Denke schon."
"Echter Eisbär. Nee, kein

Weitere Kostenlose Bücher