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Ruby und Niall

Ruby und Niall

Titel: Ruby und Niall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Recht
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    Ru, komme heute eine halbe Stunde früher. E.

"Mit dem Mann kann man arbeiten", sagte Ruby.

Sie überlegte, ob sie mit der geschenkten halben Stunde etwas Besonderes anfangen sollte, wühlte wieder durch ihr Haar. Sie könnte einen etwas besseren Haarschnitt gebrauchen, der Schnitt, den Mona verbrochen hatte, saß einfach nicht mehr. Außerdem war es Freitag und sie verkaufte an eine alte Dame ein Ticket nach Fort Kent. Die alte Dame wusste nicht, weshalb sie so lächelte, sich bedankte und ihr eine gute Reise wünschte. Fort Kent oben an der Grenze nach Kanada gelegen bedeutete ein zweihundertsiebzig auf der Liste und gehörte zu den Top fünf. Ruby hatte in den letzten Monaten keinen einzigen Wochenwettbewerb mehr gewonnen und würde sich die Kante geben. Sie würde zwar zwei Tage lang mit dicken Augen und Kopfschmerzen herumlaufen, aber das war ihr die Sache wert.
Sie blätterte den ganzen Abend in einer Filmzeitschrift, weil ihr das den Gang ins teure Kino ersparte, und klappte immer wieder die Seiten zwischen George Clooney und Nicole Kidman hin und her. Nicole fand sie klasse, weil sie so groß war, und weil irgendjemand mal behauptet hatte, sie hätte die gleiche Haarfarbe. Wie versprochen kam Ethan eine halbe Stunde früher und sie drückte ihm dafür einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Er wurde fast ein wenig rot und sagte: "Ich arbeite an meinem Karma."

In der WG

Sie trafen sich am Samstagnachmittag in der WG in der Talbot Street. Mom hatte die Kinder bei ihrer Schwester abgegeben und versprochen, sie um zehn wieder abzuholen. Für Notfälle würde ihre Schwester Rubys Handy anwählen, weil sie kein Eigenes hatte.
Das Haus der Mexikaner-WG war ein altes Herrenhaus über zwei Etagen mit gemauerten Außenmauern und Dielenböden. Von außen sah es abbruchreif aus, aber die Männer hatten es nach und nach instant gesetzt und restauriert. Die Fenster zogen zwar noch immer und das Dach war an einer Stelle undicht, aber sie hatten elektrische Leitungen verlegt, die Wasserleitungen repariert und eine voll ausgestattete Küche zur Verfügung. Dort saßen sie alle zusammen, tranken den ersten Weißwein und unterhielten sich. Ruby trug Ethans Limamütze, als sie das Haus betrat und der Erste, der ihr über den Weg lief, war der Mexikaner, der sich gerade ein Weinglas aus der Küche geholt hatte.
Sie rief ihm zu: "Kannst du mir eine Frisur machen, die jeden Kerl auf mich fliegen lässt, Mex?"
Er qualmte eine schwarze Zigarette, schnippte Asche auf den Boden und reichte ihr das Weinglas.
"Komm mit", sagte er. Mit ihrem Weinglas folgte sie ihm durch den Flur, an dessen Wänden Reste von Tapete und U-Bahn-Graffitis zu sehen waren. Eine Ecke sah aus, als habe Linda Blair dagegen gekotzt. Das war die Wand vor Mex's Zimmer und dort war er mit einem Eimer grüner Farbe über die Hauskatze gestolpert.
In Mex' kargem Zimmer, in dem ein Bett und eine Überseekiste standen, von der er behauptete, sie stamme aus dem Filmfundus der Marx Brothers, schob er einen Holzstuhl in die Mitte des Raumes und deutete Ruby, sich zu setzen. Ruby zog sich die Mütze vom Kopf und wühlte durch ihr Haar.
"Du solltest sie wachsen lassen", sagte der Mexikaner, aber das bekam sie von jedem Mann zu hören. Männer standen auf langes Haar.
"Keine Zeit und keine Lust", sagte sie. Der Mexikaner benutzte nur einen Kamm und eine Schere, schnippelte und zupfte, murmelte: "Fort Kent, hmh?" Ruby hielt das Weinglas etwas von sich wegen der herumfliegenden Haarspitzen und antwortete: "Heute sauf ich mich blind."

Er arbeitete mit dem Effiliermesser an ihrem Nacken, zupfte noch einmal und zog das Handtuch von ihren Schultern.
"Lass sie wachsen", wiederholte er, "und ich töte dich mit dem Lockenstab, wenn du sie färbst."
Er hatte aus dem halb herausgewachsenen formlosen Kurzhaarschnitt, den Mona verbrochen hatte, eine witzige Frisur geschaffen, im Nacken kurz, nach vorne am Kopf länger und locker über ein Auge fallend. Wenn der Mexikaner nüchtern war, konnte er gut arbeiten.
"Du bist ein Schatz, Mex", sagte sie, griff in die Tasche ihrer hellblauen Jeansjacke, reichte dem Mexikaner einen kleinen sorgsam gedrehten Joint. Er bedankte sich mit einem Grinsen, steckte ihn sich hinter das Ohr, wo er halb in dem Zottelhaar verschwand. Zurück in der Küche diskutierten die anderen gerade darüber, ob man das undichte Dach endlich selbst reparieren sollte.
"Erst mal müssen wir die undichte Stelle

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