Ruby und Niall
Mantel. Ein Kostüm." Wieder horchte er. "Ja, okay. Mach ich. Du mich auch." Er steckte das Handy weg. "Der Mexikaner kennt Gott und die Welt", erklärte er, "soweit sich Gott in diese Gegend überhaupt jemals verirrt. Wir wohnen in einer WG zusammen. Und er sagt, er kennt einige Leute, die an so ausgefallenen Sachen Interesse hätten, aber er muss sich das Stück ansehen."
"Was ist eine WG?", fragte Niall.
"Wir wohnen zu viert in dem Haus, weil wir es uns sonst nicht leisten könnten. Jeder hat sein eigenes Zimmer und ein paar Räume teilen wir uns."
"Oh", machte Niall. Manche Begriffe waren ihm noch immer nicht klar.
"Du kannst mitkommen, wenn ich hier Feierabend mache, und wir führen dem Mexikaner das gute Stück vor."
Niall mochte die Art, wie Ethan sprach, und versuchte es in Gedanken zu imitieren. Hauptsache, es klang nicht mehr so furchtbar irisch.
"Hört sich gut an."
Niall machte ein optimistisches Gesicht, zeigte den erhobenen Daumen und trank den Kaffee aus. Er drehte auf der Krücke, humpelte in seine Bankreihe zurück, die ihm schon heimisch geworden war.
Mona hatte nicht nur einen Blumenladen und eine heimliche Cannabis-Zucht, sondern auch ein fast heimliches Verhältnis mit einem der Bezirkspolizisten. Sie behauptete immer, Del sei ein harmloser nichts ahnender Schnarcher, der sich nur darauf konzentrierte, seine Dienstzeit möglichst ohne Stress hinter sich zu bringen. In Winslow gab es nicht viel zu tun, ein paar aufsässige Jugendliche, ein paar betrunkene Autofahrer. Manchmal waren auch die Jugendlichen betrunken und die Autofahrer aufsässig, aber damit kam Delacroix klar. Während der Winterzeit war er meist damit beschäftigt, die kids vom Skimming abzuhalten, bevor sie sich damit der Reihe nach umbrachten. Er war ein netter Kerl, etwas rundlich und nicht wirklich groß, aber Mona hatte ihm irgendwann gestanden, sie würde ihm ihr Leben anvertrauen und daraufhin war er ihr nachgestiegen. Mona war in Rubys Alter, einmal geschieden und drüben in Fairfield geboren und aufgewachsen. Sie hatte immer gewusst, dass sie aus der Gegend nicht weiter rauskommen würde, als eine Kuh scheißen konnte. Ballkönigin zu sein und einen guten Abschluss zu haben war nicht immer der Schlüssel zum Erfolg. Heute hatte sie zwar ein eigenes Geschäft und ein kleines eingeschossiges Haus, das sie im Winter nicht beheizt bekam, aber sie hatte nicht ein Ziel erreicht, was sie sich nach ihrem Schulabschluss vorgenommen hatte. Europa und Südamerika bereisen, oder wenigstens einmal zum Springbreak nach Mexico fahren. Sie hatte vom Karneval in Venedig geträumt und von der Sixtinischen Kapelle, von Stonehenge und den Fjorden, davon geblieben waren einige Reiseführer aus der Wühlkiste.
Ruby tauchte ein oder zwei Mal in der Woche bei ihr auf, kaufte nur selten etwas, aber sie tauschten Lasterhaftes aus und rauchten einen zusammen, unternahmen gemeinsam Lasterhaftes.
"Such dir wieder einen Freund", sagte Mona, "der Letzte ist schon wieder viel zu lange her."
"Der war nicht mein Freund. Ich mochte ihn nicht besonders."
"Du hast nicht mal einen der Sommergäste abgeschleppt."
Ruby zog an der gereichten Zigarette, gab sie zurück.
"Woher willst du denn wissen, ob ich einen abgeschleppt habe oder nicht?"
"Du hättest es mir erzählt, Schwester." Sie sprach das Wort "
Schwester
" so seltsam aus, dass sie sich nur aus den Augenwinkeln ansahen und losbrüllten vor Lachen. Es gab einige sommerliche Sexeskapaden, die sie gemeinsam durchgezogen hatten, meist begleitet von hartem Alkohol und leichten Drogen, allerdings stand und fiel alles mit der Qualität der männlichen Sommergäste. Sie teilten sich einen Energy Drink, um die abflauende Wirkung des Joints wieder aufzuheben, damit Ruby nicht mit zehn Zentimeters Luft unter den Füßen zur Arbeit ging.
Es hatte nicht neu geschneit, aber es war saukalt und sie rannte den halben Weg, um sich aufzuwärmen. Wie üblich trug sie zwei paar Jeans und drei Pullover übereinander, fühlte sich wie eine Sumoringerin und brauchte eine kleine Ewigkeit, um sich auszupellen. Julianne machte das Victoryzeichen in ihre Richtung und grinste breit. Ruby brauchte nur einen Blick auf die Liste zu werfen.
"Verdammt", sagte sie, "Machias einhundertfünfunddreißig. Du hast jemanden bestochen, damit er da hinfährt."
"Ja, bestimmt. Da ist eine Nachricht für dich von Ethan."
Ruby drehte den Oldie-Sender weg, wühlte durch ihr kurzes Haar und dachte daran, den Mexikaner zu besuchen. Ethan hatte eine
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