Ruchlos
überprüfen, was hier über den Opi abgespeichert war. Ich tippte ›Heinz Wachowiak‹ ein und klickte auf den Button.
4. KAPITEL
›Suchergebnis: 98 Artikel‹ verkündete das Programm binnen Sekundenbruchteilen. Ich war baff. Das war deutlich mehr, als ich erwartet hatte. Aber natürlich: Das System suchte in allen archivierten Zeitungen. Und so fand sich neben vielen Texten aus unserem Blatt nahezu die gleiche Anzahl aus der Sächsischen Rundschau; sogar einer aus der Frankfurter Allgemeinen war dabei. Diesen öffnete ich zuerst. Er beschäftigte sich mit der überdimensionierten Kläranlage, die auch Hans in seinem Nachruf erwähnt hatte.
»Na, kommst du voran?« Sylvia legte einen neuen Stoß Zeitungen auf meinen Tisch. »Das sind die von heute.«
»Sehr weit bin ich noch nicht«, sagte ich.
Sie war schon wieder auf dem Rückweg und drehte sich im Gehen um. »Kein Problem. Ich bin froh, wenn es gemacht wird. Und wenn du mittags mit deinen Kollegen verabredet bist, gehst du einfach.«
Ich nahm mir vor, gleich im Akkord die blöden Zeitungen einzuscannen. Sonst blieb es schließlich an Sylvia hängen, der ich das nicht antun wollte. Aber erst musste ich mir die Artikel über den Opi anschauen.
Die ältesten Suchergebnisse stammten von 1995. Ich vermutete, dass weiter zurückliegende Texte noch gar nicht in digitaler Form vorlagen. In jenen Jahren gab es wenig aus der Zeitung. Kein Wunder, wenn man an die Art von Journalismus dachte, die die Lokalredaktion praktiziert hatte, bevor Andreas Chef wurde.
›Gegen rechts und für sich selbst‹ lautete der Titel einer großen Geschichte, die vor zweieinhalb Jahren in der Konkurrenz-Zeitung, der Sächsischen Rundschau, erschienen war – kurz nachdem ich dort aufgehört hatte. Es ging um ein Jugendzentrum in Friedrichstadt, das Gelder einer Kampagne gegen Rechtsextremismus dafür verwandt hatte, befreundete Bands auftreten zu lassen sowie den Kneipenraum zu renovieren. Als Autorin war meine Freundin Ines genannt.
War dieser Rechner überhaupt an einen Drucker angeschlossen? Ich klickte mich durch ein paar Menüs. Anscheinend nicht. Auch ins Internet konnte ich mich nicht einloggen, um mir den Text per Mail zu schicken. Ich ließ meinen Blick über die Tischplatte schweifen. Kein Telefon. Mein Handy lag, wie fast immer, abgeschaltet zu Hause im Schrank. Ich war von der Welt abgeschnitten in diesem riesigen, stillen Archiv.
Okay, Sylvia hatte mich ja ermutigt, mit meinen Kollegen essen zu gehen. Viertel vor elf war zwar noch ziemlich früh, das war mir aber jetzt egal. Ich schloss die Fenster der Suchfunktion und startete den Scan-Vorgang für einen aktuellen Artikel, ging dann hinaus, lief die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Die Kollegen waren bis auf Martin und Annette vollständig anwesend. Jonas Michaelis saß an meinem Schreibtisch. Mich überlief ein Hitzeschauer. Energisch steuerte ich auf ihn zu.
»Haben Sie etwas vergessen?«
»Nein, ich brauche bloß für ein paar Minuten meinen Platz hier.«
Sofort stand er auf und wies mit einer Armbewegung auf den Stuhl. »Bitte sehr.« Er blieb neben dem Tisch stehen.
»Vielleicht dauert es doch länger als ein paar Minuten.«
»Verstehe.« Er ging hinaus.
Während ich schon Ines’ Telefonnummer eintippte, kam Christina zu mir herüber. Ich bedeutete ihr, einen Moment zu warten, da Ines sich sofort meldete.
Sie erinnerte sich gut an den Artikel. »Ich kann nicht sagen, dass ich stolz darauf bin«, begann sie. »Die Betreiber des Clubs hatten Gelder bekommen, um Jugendarbeit gegen rechts zu machen. Und sie haben das Geld vorwiegend dafür ausgegeben, befreundete Bands auftreten zu lassen. Natürlich hätten sie sich eine ordentliche Kampagne einfallen lassen können, aber die Nazis versuchen schließlich, Jugendliche mit Musik zu ködern – dann kann man mit den gleichen Mitteln gegensteuern.«
Ich stimmte ihr zu. Ich sah da auch kein Problem. »Aber der alte Herr, Heinz Wachowiak, der fand das verwerflich«, mutmaßte ich.
»Oh ja, der ist so ein aufrechter alter Kämpfer gegen den Faschismus. Mit ganz klaren Vorstellungen, wie solch ein Kampf auszusehen hat.« Sie seufzte. »Ich fürchte, ich habe das geschrieben, damit er Ruhe gibt.«
Christina entfernte sich wieder von meinem Schreibtisch.
Ich fragte, was mit der Kneipenrenovierung gewesen sei.
»Das war eigentlich das Einzige, was man ihnen wirklich vorwerfen konnte: Sie hatten noch Geld übrig und haben gemalert.«
»Kannst du dir
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