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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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anrufen und sich dafür entschuldigen. Über Ronnie würde ich dann allerdings nichts erfahren. Dale sprach so gut wie nie über seine Aufträge.
    Schnell lief ich in den Kneipenraum zurück. Ich griff mir meine Jacke, die noch über der Stuhllehne hing, drückte der Kellnerin zwei Euro in die Hand und winkte ab, als sie herausgeben wollte.

    Wie ich gehofft hatte, standen die beiden noch vor dem Haus. Ronnie mit dem Rücken zur Wand, Dale vor ihm, sodass er ihn jederzeit wieder packen konnte, falls er versuchen sollte, sich aus dem Staub zu machen. Der Mann, den ich einmal geliebt hatte, hielt Zigaretten in der Hand und bot sie Ronnie an. Der spuckte zunächst aus, zog dann eine aus der Packung. Ich blieb in einiger Entfernung stehen, tat so, als wäre ich mit jemandem verabredet. Dale nahm, wie erwartet, keine Notiz von mir, sondern gab erst dem Jungen, dann sich selbst Feuer.
    Er trug die Lederjacke, die er besaß, seit ich ihn kannte. Die ehemals schwarzen Haare waren an den Seiten fast komplett grau. Sein Profil wirkte in dem sanften Licht der entfernten Straßenlampe wie weich gezeichnet. Er sagte nichts, sondern wartete ab. Ich roch den herüberwehenden Rauch und spürte, wie mir übel wurde.
    »Was will die alte Fotze von mir?«, raunzte Ronnie schließlich, wobei die Silben verschwammen.
    »Du hast dich seit dem Tod deines Großvaters am Dienstag nicht mehr zu Hause blicken lassen. Ich denke, sie will sichergehen, dass du zu seiner Beerdigung kommst.«
    Ich vergaß meine unbeteiligte Pose und starrte Ronnie an. Das wäre ein ziemlich unglaublicher Zufall. Großvater? Ronnie war Anfang, Mitte 20. Noch während ich rechnete, kam mir der Gedanke, dass meine Eltern dieses Alter bei ihrem Enkelkind kaum noch erleben würden. Ihrem Enkelkind. Aus heiterem Himmel stiegen mir Tränen in die Augen, gleichzeitig kämpfte ich gegen Brechreiz an. Zum Glück trat Dale eben seine Zigarette aus; Ronnie nahm noch einen tiefen Zug und warf die Kippe achtlos zur Seite, wo sie weiter vor sich hin qualmte.
    Doch, da war eine gewisse Ähnlichkeit in der schmalen Gestalt, in dem Kopf mit der hohen, flächigen Stirn, den Augen. Ohne weiter nachzudenken, machte ich einen Schritt nach vorn und schaltete mich in das Gespräch ein.
    »Dein Großvater war Heinz Wachowiak?«
    Dales Gesichtsausdruck zeigte Überraschung, durch die nur langsam Ärger über meine Einmischung drang, Ronnie starrte auf den Bürgersteig.
    »Nu.« Wieder spuckte er aus.
    »Und warum bist du abgehauen?«
    Jetzt überwog bei Dale der Unmut. Ich ignorierte ihn. Ronnie reagierte nicht.
    »Du hast früher hier gearbeitet.«
    »Hab die Theke gemacht. Gut gemacht. Besser als der Genagelte da.« Er warf den Kopf mit einer kräftigen Bewegung nach hinten, an die Mauer.
    »Aber nachdem dein Großvater zur Presse gegangen war und eure Aktion gegen rechts angeprangert hatte, war es damit vorbei.«
    Dales Blick signalisierte Interesse.
    »Dieser verdammte alte Bock! Dieser …!« Jetzt ersetzte das Ausspucken eindeutig jede Menge Schimpfwörter. Vermutlich mehr, als in Ronnies Wortschatz existierten. »Klar, er wusste, wie man so was machen muss. Er hat ja auch die Nazis damals kleingekriegt, ne?«
    Darauf fiel mir keine Antwort ein. Am liebsten hätte ich ihn geohrfeigt. Seine Mutter beneidete ich nicht.
    »Dann bist du also richtig froh, dass er tot ist?«, versuchte ich, ihn zu provozieren.
    »Hey, ich weiß, dass ihr mir alle was in die Schuhe schieben wollt. Aber nicht mit mir.«
    Er machte einen unerwartet geschmeidigen Satz zur Seite, stieß mich weg und rannte los. Dale fluchte und stürzte hinterher. Ich hatte mich schnell wieder gefangen und holte tief Luft, kämpfte gegen die Übelkeit, die der muffig-saure Geruch, der von Ronnie ausging, verstärkt hatte.
    Die beiden waren auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ronnie wollte mit einem Sprung auf den Parkplatz hechten, als Dale sich auf ihn warf und ihn festhielt. Ich ging zu ihnen hinüber, verfolgte, wie sie wieder aufstanden, wobei Dale den Jüngeren nicht losließ.
    »Es sieht aus, als hättest du mehr Fragen an unseren Ronnie hier als ich«, sagte Dale. »Ich soll ihn schließlich nur zu Hause abliefern.« Er wirkte verärgert. Ich vermutete, das galt seiner Klientin, die ihm keine Hintergrundinformationen geliefert hatte.
    Ronnie starrte wieder zu Boden, blieb still.
    »Ja, mir würde schon die eine oder andere Frage einfallen«, sagte ich, an Dale gerichtet, registrierte aus den Augenwinkeln, wie der

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