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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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Kaffee. Du trinkst immer noch Tee?«
    »Ja, aber schwarzen. Es ist nämlich.«
    »Ich war gestern auch noch geschwächt, ganz klar. Und du hast recht: Natürlich bin ich froh, wenn ich weiß, dass ich die Zeitung ordentlich hinbekomme.« Er stellte die Kaffeemaschine an. »Und Jonas ist wirklich gut.«
    Ich erschrak bei dem lauten Klirren, mit dem mein Messer auf den Teller fiel. »Jonas! Ich kanns nicht mehr hören. Ist das Bürschchen dein neuer Freund?«
    »Nein, natürlich nicht.« Andy klang irritiert.
    »Dann guck dir den kleinen Schleimer doch mal ein bisschen genauer an. Dieses Kuckucksei, das du im Nest hast!«
    Ich wusste selbst nicht, warum mich ausgerechnet dieser Aspekt der ganzen Geschichte so aufbrachte. Oder warum mir schon wieder Tränen in die Augen stiegen. Ich senkte den Kopf, damit Andreas sie nicht sah.
    *
    »Meine Unterstützung aus der Redaktion.« Sylvia Nordheim schüttelte mir herzlich die Hand. Sie war eine kleine, runde Person mit flinken Bewegungen und einem wippenden, mausgrauen Haarschopf. »Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin.«
    Meine Versetzung war nicht nur eine Strafmaßnahme gewesen, sondern auch so etwas wie der Versuch, ein Loch dadurch zu flicken, dass man woanders eins aufriss. Normalerweise arbeiteten drei Kollegen im Archiv, nachdem zwei erkrankt waren, drohte die Abteilung zu kollabieren.
    »Es ist ja nicht nur die normale Arbeit, außerdem hat die Geschäftsführung angeordnet, dass sämtliche Altbestände digitalisiert werden müssen.« Wir standen zwischen den Regalen, die vom Boden bis zur Decke reichten, prall gefüllt mit den schweren Bänden, in denen Jahre und Jahrzehnte an Zeitungen abgeheftet waren. Sylvia Nordheims Armbewegung umfasste Tonnen an Papier, die der Herbstsonne im Weg standen, sodass man hier im Erdgeschoss des Verlagsgebäudes kaum ahnen konnte, wie schön der Tag war.
    »Aber das kann in solch einer Situation doch zurückgestellt werden«, wandte ich ein, denn mir schwante Schlimmes.
    »Ja ja, keine Angst. Ich fürchte aber, was ich dir – Entschuldigung, wir duzen uns alle. Ist das in Ordnung?« Ich nickte, während die Archivarin schon weiterredete. »Was ich dir übertragen kann, ist auch nicht viel spannender. Wir haben auch gar keine Zeit, dich richtig einzuarbeiten.«
    Wieder nickte ich. Ich hatte mir noch nie viele Gedanken über die Arbeit im Archiv gemacht – zumal wir deren Service in der Lokalredaktion eher selten nutzten. Wenn man aber etwas von Grund auf recherchieren wollte, gab man einen Auftrag an die Abteilung und erhielt eine schöne Mappe mit allen jemals zu dem Thema erschienenen Artikeln – früher in Papierform, heute digital. Hätte ich das bei meinem Messe-Text getan, wäre mir der Fehler nicht passiert und ich wäre jetzt nicht hier.
    »Gut. Was soll ich tun?«
    Sylvia Nordheim schob mich mit einer sanften Bewegung durch den Gang zwischen den Regalen auf einen großen Arbeitstisch mit Rechner und einem Ao-Scanner zu. Mitten auf dem Tisch lag ein dicker Stapel Zeitungen.
    »Das ist nun schon vier Tage liegen geblieben: Die wichtigen überregionalen Zeitungen und die Sächsische Rundschau. Bitte allesamt durchsehen, was dir wichtig erscheint, einscannen und abspeichern. Lieber etwas zu viel als zu wenig. Ich zeige dir mal die einzelnen Ordner.« So schnell, wie sie sprach, klickte sie sich durch das System. »Ganz einfach. Und wenn du mich brauchst – ich bin dort drüben in meinem Kabuff. Du hast nicht zufällig eine Idee, wie man einen Text über die schwierigen deutsch-polnischen Beziehungen zur Abwechslung etwas anders bebildern könnte als mit Politikern?«
    »Wie wäre es mit einem Foto von den Zuschauern eines deutsch-polnischen Fußballspiels mit ihren Fähnchen?«
    Die Archivarin wiegte den Kopf hin und her. »Gar nicht schlecht. Du hast Talent.«
    »So etwas lernt man im Lokalen. Im Zweifelsfall muss man auch gleich selbst los und die Aufnahme machen.«
    Sylvia Nordheim lachte und ließ mich an meinem neuen Arbeitsplatz zurück. Immerhin stand der Tisch am Fenster, im Gegensatz zu Sylvias Kabuff, das ein mitten in die Regale hineingebauter Raum war. Ich nahm mir die erste Zeitung vom Stapel, überflog die Seiten, scannte Artikel, speicherte sie ab, schaute auf die Uhr. Natürlich war kaum Zeit vergangen.
    Verdammt, ich war Redakteurin. Was ich hier tat, konnte auch eine Aushilfe machen. Missmutig begann ich, das mir fremde Computersystem auszuprobieren. ›Suche‹. Nun, dann konnte ich doch gleich

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