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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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winkte ab, als er mir Kaffee eingießen wollte.
    »Tee?« Schon stand er auf, um Wasser aufzusetzen. »Aber so richtig voll hat der Virus dich nicht erwischt, oder?« Mit fragendem Blick drehte er sich zu mir um.
    »Nein, nein. Es ist.« Ich konnte ihm doch nicht hier so zwischen Tür und Angel sagen, dass er Vater wurde. »Ich frühstücke gleich richtig mit Dale.«
    »Ach so.« Die Reaktion kannte ich. Er wollte nicht aufbrausen, nicht zeigen, dass es ihn verletzte, und übte sich in Gleichgültigkeit.
    »Er hatte den Auftrag, einen Enkel von Heinz Wachowiak aufzuspüren und kann mir vielleicht ein bisschen mehr über die Familie erzählen«, erklärte ich. »Willst du mitkommen?«
    Andy schüttelte den Kopf. »Nein, geh mal allein.«
    Insgeheim war ich erleichtert. Ich wusste nicht, ob Jess da war, hoffte aber darauf, mit Dale unter vier Augen reden zu können. Es würde ohnehin schwer genug werden, ihm Informationen zu entlocken.
    »Wenn es wieder so ein schöner Tag wird, könnten wir heute Nachmittag ein bisschen Fahrrad fahren und irgendwo Kaffee trinken«, schlug ich vor.
    »Geht nicht. Ich muss zum Fußball.«
    »Zum Fußball? Du?«
    »Das war das Thema der Sondersitzung gestern. Dynamo. Der Zustand des Stadions und diese bekloppten Hooligans. Beides will ich mir mal selbst anschauen. Du hast nicht vielleicht Lust, mitzukommen?«
    Er kannte meine Antwort. Also würden wir uns erst beim Abendessen sehen. Ich fand, das Thema verdiente einen feierlichen Rahmen, und schlug das Villandry in der Jordanstraße vor. »Ich kümmere mich um einen Tisch, du zahlst.«
    *
    »Dynamo gegen Lok Leipzig? Da würde ich mich eher fernhalten«, meinte Dale.
    Jess war nicht da – sie hatte es geschafft, einem privaten Sponsor eine sechsstellige Summe zu entlocken, mir der sie in New Jersey ein neues Projekt zur Resozialisation krimineller Mädchen starten wollte.
    »Das heißt, in den nächsten sechs, sieben Wochen hat sie keine Minute Zeit für irgendetwas anderes.«
    Dale hatte den großen Tisch in der Küche seines Hauses in der Antonstraße mit vielen gesunden Sachen gedeckt: Obst und frisch gepresster Saft, Kräuterquark und Paprikastreifen. Augenscheinlich war er am Morgen schon joggen gewesen, seine Haare schimmerten feucht und er wirkte sehr gelöst. Ich sah keinen Aschenbecher im Raum.
    »Ich versuche doch immer noch aufzuhören«, gestand er auf meine Frage hin. »Aber bei solchen Typen wie Ronnie hilft es, wenn ich Kippen dabeihabe, das ist das Vertrackte.« Er lächelte, und ich sah die unzähligen Fältchen um seine tiefdunklen Augen.
    Er hatte Ronnie am Vorabend wohlbehalten seiner Mutter übergeben und gleich sein Honorar kassiert. »Eigentlich war’s das für mich. Aber ich bin natürlich doch neugierig geworden und habe der Frau ein bisschen auf den Zahn gefühlt.«
    »Und?«, fragte ich gespannt. Ich hätte nicht gedacht, dass er so bereitwillig erzählen würde. Aus dem Wohnzimmer drangen Trompetenklänge herüber, durch das Fenster sah man das wuchernde Grün des Gartens, gerade flatterte ein kleiner Vogel vorbei. Wieder einmal stellte ich fest, wie fern hier die quirlige Neustadt war – obwohl man in zehn Minuten mittendrin war.
    »Sie ist schwierig. Sehr darauf bedacht, wie etwas nach außen hin wirkt, wollte es wohl auch immer ihrem Vater recht machen.« Er belegte eine Brötchenhälfte mit Camembert. »Na ja, und mit dem Jungen wird sie einfach nicht fertig. Schon seit Jahren nicht, denke ich.«
    Ich hatte eine Portion Quark gegessen und nahm mir nun ein süßes Hörnchen. »Was meinst du – warum hat sie dich beauftragt, Ronnie nach Hause zu holen?«
    »Die Familie muss zusammenhalten in solchen Zeiten«, gab er seine Klientin mit ironischem Grinsen wieder.
    »Ronnie lebt noch bei ihr?«
    »Mehr oder weniger.« Dale musterte meinen Teller. » Macht Andreas mal wieder Diät, sodass ihr nichts zu essen zu Hause habt?«
    Ich hatte das Hörnchen noch nicht ganz vertilgt, mir aber schon eine Scheibe Schinken auf den Teller gelegt und nach einem Körnerbrötchen gegriffen. Ich lachte. »Nein. Er hatte diesen fiesen Virus und hat ganz ohne Diät abgenommen. Ich hab einfach Appetit. Es sieht alles so lecker aus.«
    Dale lächelte. Kombinierte der Detektiv das Mineralwasser im Cool Che mit der Tatsache, dass ich mich übergeben hatte und jetzt keinen Kaffee trank, aber wie ein Scheunendrescher abwechselnd Würziges und Süßes in mich hineinstopfte?
    »Ich hatte den Eindruck, halb lebt Ronnie schon länger

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