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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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auf der Straße. Und seine Mutter scheint einige Befürchtungen zu hegen, die sie zumindest mir gegenüber für sich behalten hat.«
    »Ronnies Beschwerde, man wollte ihm etwas in die Schuhe schieben.«
    Dale nickte. »Keine Ahnung, was sie ihrem Filius alles zutraut.«
    »Was traust du ihm zu?«
    Er goss sich noch einen Kaffee ein. Für mich hatte er schwarzen Tee aufgebrüht. »Er ist sehr kaputt«, antwortete er ausweichend.
    Ich trank einen Schluck. »Kannst du dir vorstellen, dass er seinen eigenen Großvater umgebracht hat?«
    Wieder bekam ich keine direkte Antwort. »Ich will nicht, dass du da recherchierst, Kirsten.« Meine Einwände ignorierte er. »Ich bin selbst misstrauisch geworden. Frau Meyersfeld, Ronnies Mutter, hat mich viel zu gut bezahlt für diesen Routineauftrag – und anscheinend ist für sie damit klar, dass ich nicht weiter nachfrage.«
    »Aber genau das willst du tun.«
    »Ja.« Er nickte. »Ich lass mich nicht gerne benutzen.«
    Das war mehr, als ich gehofft hatte. Dale, der Profi, würde Ronnie näher unter die Lupe nehmen. Und falls er ebenfalls den Eindruck gewann, dass Heinz Wachowiak keines natürlichen Todes gestorben war, wollte er Montagmorgen Hantzsche dazu bringen, eine Obduktion zu veranlassen. Auf ihn, den ehemaligen Kollegen, würde der Kriminalhauptkommissar hören.
    Ich schlenderte langsam durch die Neustadt zurück nach Hause, kaufte noch ein paar Lebensmittel ein, überlegte, was ich mit dem angebrochenen, sonnigen Samstag anstellen konnte. Andreas war bestimmt schon am Stadion, um die Stimmung dort mitzubekommen – gründlich, wie er bei der Arbeit immer war.
    Durch die Stadt bummeln? Aber wozu sollte ich mir schicke Sachen kaufen, wenn ich in ein paar Wochen den 80er-Jahre-Schlabber-Look reaktivieren musste? Ich lachte laut auf, sodass eine alte Dame mich irritiert ansah: Bestimmt hatte ich irgendwo in den Tiefen meines Kleiderschrankes noch T-Shirts und Pullover, die bis zum neunten Monat passten.
    Putzen, spülen, Wäsche waschen? Nein, dazu war der Tag einfach zu schön. Ich würde einfach ein wenig Fahrrad fahren, vielleicht die Elbe entlang bis nach Meißen und dort ein Eis essen.
    Ich brachte meine Einkäufe nach Hause und stopfte eine alte Decke, die Zeitung und eine Flasche Mineralwasser in einen Rucksack. So konnte ich zwischendurch, wann immer mir danach war, eine gemütliche Pause einlegen. Dann rief ich im Villandry an und hinterließ auf dem Anrufbeantworter meinen Wunsch nach einem Tisch für zwei Personen für den Abend. Ich freute mich darauf, Andy endlich die Neuigkeit mitzuteilen.
    Wenig später rollte ich auch schon an der Elbe entlang nach Norden. Der Blick auf die historische Skyline der Altstadt war immer wieder überwältigend. Der Fluss glitzerte in der Sonne, auf der Brühlschen Terrasse tummelten sich die Wochenendbesucher, dahinter ruhte majestätisch die runde Kuppel der Frauenkirche. Von einem Raddampfer drang ein lang gezogenes Tuten herüber, die Luft war warm und sanft auf meinen bloßen Armen.
    Nach der Augustbrücke ließ der Betrieb auf dem kombinierten Rad- und Fußweg ein wenig nach und ich konnte meine Gedanken schweifen lassen. Noch immer wusste ich nicht, was der alte Herr in der Redaktion gewollt hatte. Ich hatte mir am Vortag noch gründlich die Rundschau der letzten Tage vorgenommen – er hätte ja auch die Konkurrenz-Zeitung aufgesucht haben können, ohne dass Ines es gemerkt hatte –, allerdings nichts gefunden.
    Im schönen, alten Garten des ehemaligen Interhotels Westin Bellevue flanierten ein paar Gäste, am Ufer hockte eine Entenkolonie. Wenn Herrn Wachowiaks Anliegen irgendetwas mit Ronnie zu tun gehabt hatte, würde Dale es herausfinden. Aber wenn nicht.
    Kein Eis in Meißen. Ich bremste und schob mein Fahrrad die steile Böschung hoch, um auf die Marienbrücke zu gelangen, fuhr in die Friedrichstadt.
    *
    Michaela Kattners Wohnzimmer war voll besetzt. Auf einem breiten, afrikanisch wirkenden Ledersofa saß ein vielleicht 60jähriger Mann, der Heinz Wachowiak wie aus dem Gesicht geschnitten war, neben ihm eine schlanke, sogar im Sitzen große Frau. Der kleine Leon kuschelte sich an sie. Zu seiner anderen Seite sah ich eine weitere junge Ausgabe der männlichen Wachowiaks. Anscheinend hatte sich der Charakterschädel bei den Männern der Familie vererbt, während ich unter den anwesenden Frauen keine besondere Ähnlichkeit feststellte.
    In einem Sessel am Fenster saß eine rundliche Person, die vielleicht Michaelas

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