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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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Junge aufblickte. »Zum Bespiel, ob er am Dienstag bei seinem Großvater war.«
    »Ich hab nichts gemacht, verdammt noch mal!« Er versuchte vergeblich, mit einer Drehung Dales Hand abzuschütteln.
    »Okay.« Dale klang völlig neutral. Ohne Ronnie loszulassen, holte er seine Zigaretten hervor, hielt sie dem Jungen hin. Der griff gierig zu.
    »Du warst noch in der Wohnung«, hakte ich nach.
    Ronnie schwieg wieder.
    »Wollen wir reingehen und etwas trinken?«, fragte Dale freundlich.
    Ein Nicken war die Antwort. Nebeneinander traten wir den Rückweg ins Cool Che an, wobei Dale Ronnies Arm weiter festhielt. Die Kellnerin schaute uns erstaunt an, nahm aber ohne einen Kommentar unsere Bestellungen auf. Ronnie orderte ein Bier und einen Schnaps, Dale ein Bier, ich Mineralwasser. Ich war froh, dass sie hier nicht rauchen durften, jedoch überfiel mich in der stickigen Wärme auf einmal eine bleierne Müdigkeit.
    »Also, was war los? Wolltest du Geld von dem alten Herrn?«, versuchte ich einen Schuss ins Blaue.
    Ronnie zuckte die Achseln, was ich als Bestätigung auffasste.
    »Wann? Am Dienstag?«
    Eine leichte Kopfbewegung.
    »Abends?«
    »Nein, nachmittags. Und der Alte lebte noch!«
    »Er hat dir kein Geld gegeben.«
    Unsere Getränke kamen, Ronnie kippte den Schnaps in einem Zug und bestellte gleich noch einen.
    »Dann hast du dir etwas genommen«, schaltete Dale sich ein. Ronnie stritt es nicht ab. »Übrigens zahlst du deine Schnäpse hier selbst, das ist dir ja wohl klar.«
    Ronnies Gesichtsausdruck signalisierte, dass er wieder kurz davor war auszuspucken. »Muss mal aufs Klo«, sagte er stattdessen.
    »Okay.« Dale stand auf und begleitete ihn auf den Flur.
    Ich folgte den beiden. Dale lehnte neben der Toilettentür an der Wand, lächelte mich fragend an. Ich erzählte ganz knapp, was passiert war.
    Dale hatte aufmerksam zugehört, sagte aber nichts dazu, sondern riss unvermittelt die Tür auf. Ronnie war jedoch nicht, wie er wohl fürchtete, durch ein Fenster entwischt, sondern saß zusammengekauert auf dem dreckigen Boden neben dem Urinal.
    »Scheiße, diese ätzende Familie«, murmelte er, als Dale ihn unsanft hochzog.

5. KAPITEL
    Das war ja grässlich. Ich dachte, es gäbe bloß die berühmte Morgenübelkeit – und damit hatte ich mich schon abgefunden. Aber dass ich nun abends über der Kloschüssel hing, über einer schmierigen Kloschüssel in einem unsanierten Altbau, während vor der Tür zwei Männer standen, von denen ich dringend etwas in Erfahrung bringen wollte …
    »Alles in Ordnung, Kirsten?«, drang Dales Stimme zu mir.
    »Ja, ja.«
    Ich spülte mir den Mund aus und ging wieder auf den Flur.
    »Ich liefere unseren Helden jetzt bei seiner Mutter ab. Du bist wirklich okay?« Besorgt sah er mich an. Ronnie stand neben ihm, als wäre er gar nicht da, in sich zusammengesunken, den Blick auf den Boden gerichtet.
    »Hundertprozentig. Ich würde euch gerne begleiten.«
    Dale schüttelte den Kopf. »Nichts zu machen.«
    Damit hatte ich gerechnet. »Gibst du mir den Namen und die Adresse der Mutter?«
    Er fragte nicht nach, warum mir die Angelegenheit so wichtig war. Er wusste, dass ich dazu neigte, mich in ungeklärte Fragen zu verbeißen – und er hatte immer Angst um mich. Natürlich war es ihm nicht mehr so wichtig wie damals, als wir ein Paar waren, aber wenn er mitbekam, dass ich etwas tat, was in seinen Augen gefährlich werden konnte, kehrten die alten Beschützerinstinkte zurück.
    »Ruf mich morgen an«, sagte er ausweichend.
    »Ich komme einfach mit Brötchen zum Frühstück vorbei, okay?«
    Er zögerte, schien aber einzusehen, dass ich fest entschlossen war. »Gut, so um zehn?«
    *
    Als ich nach Hause kam, lag Andreas tief schlafend vor dem Fernseher. Ein Quentin-Tarantino-Film lief. Ich schaltete das Gerät aus, drückte Andy einen Kuss auf die Stirn und ging unter die Dusche. Nach dem Zusammentreffen mit diesem Ronnie hatte ich das dringende Bedürfnis, mich zu säubern.
    Mir war bewusst, dass meine persönliche Abneigung mein Urteilsvermögen beeinträchtigte, dennoch konnte ich den Gedanken nicht loswerden, dass ich dem Kerl durchaus zutraute, für ein paar Euro seinen Großvater umgebracht zu haben.
    Mit Mühe schaffte ich es, Andy ins Bett zu lotsen, wo er sofort wieder einschlief, während ich noch lange wach lag und grübelte.
    Am nächsten Morgen hatte er schon alles für unser Frühstück vorbereitet, als ich in die Küche kam. Mit schlechtem Gewissen nahm ich eine Brötchenhälfte,

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