Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
Vom Netzwerk:
erfolgreich«, folgerte ich.
    »Zuerst schon. Ich habe die Rehabilitationsmaßnahmen absolviert und alles war wunderbar. Aber drei Jahre nach dem Eingriff kamen die Schmerzen zurück. Frau Dr. Ehrhardt, die Chefärztin, die die Operation damals vorgenommen hat, sagte, das wäre normal, und eventuell müsste sie das Gelenk gegen ein neues austauschen. Aber um genau das zu umgehen, hatte ich mich vor dem Eingriff für das teuerste Modell entschieden. Wissen Sie«, sie lächelte mich an, »damit ist es wie bei Autos. Es gibt Luxus-, Mittelklasse- und Standardausführungen.«
    »Sie sind Privatpatientin?«, vermutete ich.
    »Ja. Mein Mercedes ist von meinem Ersparten bezahlt.«
    »Haben Sie die Ärztin darauf angesprochen?«
    »Natürlich. Aber versuchen Sie einmal, einem Chefarzt einen Fehler nachzuweisen. Irgendwann stand ich vor der Frage, ob ich ein langwieriges Gerichtsverfahren mit zweifelhaftem Ausgang auf mich nehmen oder die Angelegenheit auf sich beruhen lassen wollte. Ich hatte einfach keine Kraft mehr.« Seltsamerweise zauberte die Erinnerung daran erneut ein Lächeln auf ihr Gesicht, hübsch anzusehen inmitten der fein versponnenen Fältchen.
    »Ich nehme an, Herr Wachowiak wäre dafür gewesen, den Fall auszufechten?«
    »Nicht unbedingt. Aber Heinz hatte von Anfang an den Verdacht, man habe mir nur das teure Gelenk berechnet, aber ein billiges eingesetzt. Und vor Kurzem hatte er zwei ältere Herrschaften ausfindig gemacht, bei denen möglicherweise das Gleiche passiert war. Wenn es denn so war. Erfahren werde ich das wohl nie …«

6 . KAPITEL
    Wie benommen radelte ich zurück in die Neustadt. Das musste es sein – es war so naheliegend, so logisch. Eine Chefärztin des Hyazinthus-Krankenhauses hatte Frau Gärtner das mangelhafte Gelenk eingesetzt, aus der gleichen Klinik war am Dienstag die Notärztin gekommen, die ohne Untersuchung Heinz Wachowiak einen natürlichen Tod bescheinigt hatte. Nein, da gingen wohl die Pferde mit mir durch. Aber dennoch.
    Ich hatte von der alten Frau Namen und Adressen der anderen Patienten bekommen. Ich wollte sie nicht ohne Vorankündigung am Samstagnachmittag überfallen, sondern würde gleich von zu Hause aus telefonieren und fragen, ob sie bereit wären, mit mir über ihre Beschwerden zu sprechen. Eine Frau lebte in Heidenau, dorthin schaffte ich es ohnehin erst morgen. Und dann konnte ich weitersehen. Den Verantwortlichen im Krankenhaus die Hölle heiß machen, sie auffordern, Unterlagen vorzulegen. Schauen, ob jemandem die Nerven durchgingen. Das war unbedingt auch ein Thema für die Zeitung. Gut möglich also, dass Heinz Wachowiak uns genau darauf aufmerksam machen wollte.
    Zurück in der Böhmischen Straße, goss ich mir ein großes Glas Traubensaft ein – irgendwo hatte ich gelesen, das sollte die Blutbildung fördern – und ging damit ins Arbeitszimmer. Der Anrufbeantworter blinkte.
    »Das Hyazinthus-Krankenhaus in Friedrichstadt«, nuschelte eine stark sächselnde Stimme. »Wenn Sie uns mal zurückrufen könnten, Frau Bertram?«
    Ich begriff überhaupt nichts und begann, mir eine Argumentations-Strategie aufzubauen, mit der ich meinen Verdacht rechtfertigen konnte – bis mir klar wurde, dass der Anruf sich unmöglich auf den Vorwurf Marianne Gärtners beziehen konnte. Ich wählte die angegebene Nummer. Es war die Notaufnahme, wo man mir mitteilte, mein Lebensgefährte sei in eine Prügelei zwischen rivalisierenden Fan-Blocks geraten und habe einige Blessuren davongetragen.
    »Was heißt das: ›Blessuren‹?« Meine Stimme hörte sich schrill an.
    »Keine Angst, nichts Schlimmes. Drei gebrochene Rippen, ein angeknackstes Handgelenk und ein paar Schnittwunden.«
    »Das nennen Sie nichts Schlimmes? Kann ich zu ihm?«
    »Nu.« Gleichmütig nannte sie Haus und Zimmer, in dem ich Andreas finden würde.
    Zwei Minuten später saß ich im Auto und raste los, fand mich nach langer Parkplatzsuche genau in dem Gebäude wieder, in dem ich am Mittwoch mit Dr. Silbermann gesprochen hatte. Ich irrte durch den modernen Bau, in dem es angenehm wenig nach Klinik roch, lief einen in warmem Gelb gestrichenen Flur entlang, bis ich endlich in einem winzigen Einzelzimmer stand.
    »Keine Panik!« Andy versuchte zu grinsen, was nur auf einer Seite des Mundes funktionierte. Rechts blieb alles unbewegt. Seine Haare an dieser Schläfe waren blutverklebt, ein dickes weißes Mull-Pflaster erstreckte sich bis über die Wangenknochen.
    »Du bist mir ja ein Held!« Mit drei Schritten war

Weitere Kostenlose Bücher