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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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sagen.
    »Danke für den Hinweis. Damit werde ich mich auf jeden Fall beschäftigen«, versicherte ich dennoch. »Meinen Sie, es gibt etwas Schriftliches, das mir weiterhelfen kann? Ihr Vater kam oft mit Notizen zu uns die Redaktion«, improvisierte ich in der vagen Hoffnung, sie würden mich allein nach oben lassen, wo ich einen Hinweis auf ›Tante Marianne‹ finden könnte.
    »Wir sehen ohnehin gleich seine Sachen durch«, meldete sich die rundliche Frau neuerlich zu Wort. »Wenn wir etwas dazu finden, benachrichtigen wir Sie gern.«
    Ich bedankte mich. Da ich keine Visitenkarten dabeihatte, bat ich Michaela Kattner um ein Blatt Papier, auf dem ich der Familie meine Privatnummer hinterlassen konnte.
    Als sie mit dem Gewünschten zurückkam, drückte sie mir zwei kleine Zettel in die Hand. Auf dem oberen stand, schnell und kaum leserlich hingekritzelt: ›Marianne Gärtner – Institutsgasse 4‹.
    *
    Der Straßenname kam mir bekannt vor, trotzdem hatte ich keine Ahnung, wo die Gasse zu finden war. Langsam schob ich mein Fahrrad in Richtung Innenstadt zurück, überlegte, ob ich in der gegenüberliegenden Klinik nach einem Stadtplan fragen sollte, als mein Blick auf das Schild der rechts abzweigenden Straße fiel. Es war hier – direkt um die Ecke! Mit wenigen Schritten hatte ich Haus Nummer 4 erreicht und klingelte bei ›Gärtner‹. Nach einer Weile, als ich schon überlegte, ein anderes Mal wiederzukommen, wurde die Haustür aufgedrückt.
    Im Türrahmen der ein paar Stufen höher gelegenen Erdgeschosswohnung stand eine zierliche, kleine alte Dame, deren hoch auftoupiertes Haar bläulich schimmerte.
    Ich stellte mich vor, fragte vorsichtig nach, ob sie die Bekannte von Heinz Wachowiak sei.
    Sie nickte, sichtlich um Haltung bemüht. »Ich möchte nicht darüber sprechen, bitte.«
    »Frau Gärtner, ich kann mir vorstellen, wie verletzend es sein muss, dass die Familie Sie nicht teilhaben lässt …« Ich ließ den Satz unvollendet. Teilhaben woran? An ihren Zusammenkünften, der Aufteilung des Hab und Guts, der gemeinsamen Trauer.
    Wieder nickte sie nur, schien dann einen Entschluss zu fassen. »Würden Sie ein wenig mit mir spazieren gehen? Der Tag ist so schön.«
    Ich nahm erfreut an, und es dauerte eine Weile, bis sie mit einer Handtasche am Arm und einem kräftigen Spazierstock mit geschnitztem Knauf zurückkehrte.
    »Ich bin nicht gut zu Fuß«, warnte sie mich.
    Ganz langsam gingen wir die Institutsgasse zurück, überquerten die Wachsbleichstraße und betraten das weitläufige Gelände des Hyazinthus-Krankenhauses fast auf Höhe des berühmten Neptunbrunnens. Hinter den hohen Mauern versteckte sich ein wahrer Park mit alten Bäumen, Rasenflächen und kunstvollen Brunnen.
    »Ist es nicht wunderschön?«, fragte die alte Dame. »Ich bin immer noch gern hier.«
    Ich fragte nicht, worauf das ›immer noch‹ sich bezog. Vermutlich auf Erinnerungen an Heinz Wachowiak. Frau Gärtner trug ein gerade geschnittenes schwarzes Hemdblusenkleid; sie musste sich bei jedem Schritt auf ihren Stock stützen, wirkte jedoch geistig sehr wach.
    »Wissen Sie«, begann sie nach einer Pause, in der wir schweigend nebeneinander hergegangen waren, angestrengt sie, mit stark verkürzten Schritten ich. »Die Familie konnte sich nie damit abfinden, dass Heinz so spät noch einmal jemanden gefunden hatte. Er wollte unbedingt, dass sie mich akzeptieren. Er dachte, er könne es erzwingen.« Sie atmete schwer.
    Ich schlug vor, dass wir uns auf eine Bank in der warmen Nachmittagssonne setzten. Hier draußen sah man, wie dünn ihr Haar war, wie sorgfältig frisiert.
    »Was hatten die Kinder denn gegen Sie einzuwenden?«, fragte ich.
    »Ich bin wohl einfach in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von ihrer Mutter«, antwortete sie, und es klang ausweichend. Ich drang nicht weiter in sie. Die Antwort auf diese Frage würde ich vermutlich leicht bekommen. Stattdessen fragte ich, was es damit auf sich habe, dass Heinz Wachowiak sich aufgeregt habe, als sie krank wurde.
    »Nun ja, ›krank werden‹ ist der falsche Ausdruck.« Sie strich leicht über den Stoff ihres Rocks. »Ich hatte seit Jahren – was sage ich – seit Jahrzehnten Probleme mit meiner Hüfte und habe mich immer gegen eine Operation gesträubt. Ein künstliches Gelenk, wissen Sie?«
    Ich nickte.
    »Heinz hat mich schließlich zu dem Eingriff überredet. Er meinte, dann könnten wir vielleicht längere Spaziergänge gemeinsam machen.«
    »Aber die Operation war nicht

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