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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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ich an seinem Bett.
    An den beigefarbenen Wänden hingen irgendwelche Landschaftsbilder, vor dem Fenster Nylongardinen. Andreas trug ein weißes Krankenhaus-Hemdchen, das rechte Handgelenk war eingegipst. Als er versuchte, seine Lage zu verändern, stöhnte er auf.
    »Halb so schlimm«, behauptete er. »Du hast doch den Tisch im Villandry reserviert? Dann können wir ja gehen.«
    »Klar, komm!« Ich hielt ihm meine Hand hin, als er aber mit seiner linken danach griff und tatsächlich mit Schmerz verzogenem Gesicht versuchte, sich hochzuhieven, entzog ich sie ihm schnell. »Andy, ich weiß, dass du Krankenhäuser hasst, aber ich denke, du solltest schon ein bisschen hier bleiben.«
    »Das sieht nur so wild aus!«
    Seit ich Andreas kannte, hatte er eine geradezu kindliche Abneigung dagegen gehabt, sich in die Hände von Medizinern zu begeben; wann immer möglich, war er aus Arztpraxen und von Klinikstationen geflohen. Jetzt aber ging es ihm offensichtlich zu schlecht dafür – und ich wollte auf keinen Fall verantworten, ihn dermaßen lädiert zu Hause zu haben.
    Er machte Anstalten, sich im Bett aufzurichten, und konnte wieder ein Stöhnen nicht vermeiden. »Die Rippen sind das Schlimmste«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Hat man dir kein Schmerzmittel gegeben?«
    Er bewegte den Kopf von einer Seite zur andern. Ich wollte sofort den Raum verlassen, um eine Schwester zu suchen, als er mich zurückhielt.
    »Du musst was darüber schreiben. Das war ein gezielter Angriff. Ich hab selbst Fotos gemacht, weil kein Fotograf Zeit hatte, und als sie das gesehen haben, haben sie sich auf mich gestürzt.«
    »Dynamo-Fans?«
    Er nickte.
    »Noch vor dem Spiel?«
    Erneutes Nicken. »Warm machen mit Sauferei und Nazi-Parolen-Grölen. Ein widerwärtiges Pack.«
    Ich war so hektisch von zu Hause aufgebrochen, dass ich sogar einen Schlafanzug für ihn vergessen hatte, fiel mir jetzt ein. Und er dachte schon wieder an die Zeitung. Aber gut, wenn sein Seelenheil davon abhing. Ich fragte nach der Kamera.
    »In meiner Hosentasche. Hoffentlich. Da habe ich sie in Sicherheit gebracht, als die Meute auf mich losgegangen ist.«
    Ich fand das kleine Digitalgerät und sicherte ihm zu, den Übergriff in die Zeitung zu bringen. Er schien nicht daran zu denken, dass ich strafversetzt war, und ich blendete die Tatsache aus.
    »Aber schreib den Text anonym. Wer weiß, wozu diese Faschos in der Lage sind.«
    Erschöpft schloss er die Augen.
    Ich ging hinaus und spürte im Schwesternzimmer einen Pfleger auf, den ich bat, Andy ein Schmerzmittel zu geben.
    *
    Zu Hause suchte ich zwei nicht komplett fadenscheinige Schlafanzüge heraus. Normalerweise schlief Andy nackt, höchstens mit Boxershorts bekleidet, nun mussten es eben diese alten Schätzchen tun. Ich legte mein Gesicht auf den kühlen Baumwollstoff und schloss die Augen. Es war nichts Gravierendes passiert, sagte ich mir. Schlimmstenfalls würde er eine Narbe im Gesicht zurückbehalten.
    Trotzdem brach ich unvermittelt in Tränen aus, als ich im Bad sein Waschzeug zusammensammelte und sein Aftershave roch, dieses teure Chanel-Zeug.
    Ich wollte gerade die Wohnung verlassen, da klingelte das Telefon. Es war der Sohn Heinz Wachowiaks. Die Familie habe wirklich Notizen des Vaters über Neonazis unter den Dynamo-Fans gefunden. Wenn ich wollte, könnte ich sie bei ihm zu Hause abholen.
    Ich bedankte mich und ließ mir die Adresse geben, fuhr dann – zum wievielten Mal an diesem Tag? – wieder in die Friedrichstadt.
    Andy schlief, und so packte ich bloß leise die Tasche aus, legte das Buch, in dem er gerade las, Alexander Osangs ›Nachrichten‹, mit ein paar Weintrauben auf den Nachttisch, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und machte mich auf in die Altstadt.
    Wachowiak junior und seine Familie lebten in einer jener ehemals heiß begehrten und angeblich allesamt von hohen Parteikadern belegten Wohnungen in der Wilsdruffer Straße. Ich fragte mich, ob der Sohn im Gegensatz zum Vater Anhänger des SED-Staats gewesen war, denn es wirkte auf mich so, als würden er und seine Frau schon seit Jahrzehnten in den gediegen eingerichteten Räumen wohnen.
    Frau Wachowiak führte mich durch das Wohnzimmer in einen kleinen Raum, der anscheinend ihrem Mann als Arbeitszimmer diente. Er saß hinter einem massiven Schreibtisch, vor sich sorgfältig geordnete Papierberge, und nickte mir entgegen. Die Gastgeberin fragte, ob ich etwas trinken wolle, und ich nahm dankbar an. Mein Kreislauf spielte

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