Ruchlos
zu.
Wir hatten die Antonstraße Nummer 4 erreicht. Ich stieg aus, öffnete das Tor. Dale fuhr auf das Grundstück, stellte den Fiesta ab. Hintereinander gingen wir den Gartenweg entlang, betraten das Haus.
»Ich versuche, heute früher nach Hause zu kommen. Dann können wir noch die Desperate Housewives gucken«, sagte Dale im Plauderton, während er den Backofen einschaltete und die Lasagne begutachtete, die in der Küche auf der Arbeitsfläche stand.
»Okay.« Ich begann, den Tisch zu decken, er bugsierte den Auflauf in eine Form und schob sie in den Ofen. Dann hielt er seine Zigarettenschachtel hoch.
»Ich gehe mal raus.«
Als er die Küche verlassen hatte, ließ ich mich auf das Sofa fallen. Morgen war es eine Woche her, dass ich hierhin zum Frühstück gekommen war, die Nazis Andy zusammengeschlagen hatten und mein Verdacht in Bezug auf Heinz Wachowiak konkreter geworden war. Eine schier endlose Woche mit positivem Schwangerschaftstest, Obduktion, Verfolgungsjagd durch den Zwinger, schrecklicher Angst um den Vater meines Kindes. Der jetzt allein in einem tristen Klinikzimmer lag, während ich bei meinem Exfreund, seinem Langzeitrivalen, Unterschlupf gesucht hatte. Ich strich über meinen Bauch in der Jeans.
Ein dumpf knallendes Geräusch am Fenster ließ mich aufspringen. Was war das? Angestrengt starrte ich auf das dunkle Glas, bis ich erkannte, dass die Scheibe mein Bild anders als sonst zurückwarf. Dale hatte die hölzernen Läden von außen geschlossen. Kurz darauf hörte ich den gleichen Ton aus dem angrenzenden Büro, dann leiser aus dem Wohnzimmer. Warum tat er das? Er musste etwas wissen, wovon er mir nichts sagte – er hatte Angst um mich.
Als er wieder im Haus war, ging er durch alle Räume und verriegelte die Läden von innen, bevor er in die Küche kam, wo die Lasagne einen angenehmen Geruch zu verströmen begann. Er schaute durch das Fenster in der Backofentür, stellte Salz und Pfeffer auf den Tisch, lehnte sich an die Arbeitsfläche.
»Dale, was ist los?« Ich hielt seinen Blick fest, aber die dunklen Augen waren unergründlich.
»Nichts Konkretes«, wiegelte er ab. »Wahrscheinlich hast du recht und ich übertreibe.« Er verzog den Mund zu einem Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Tu mir einfach den Gefallen und bleib heute Abend hier, ja? Und mach die Tür nicht auf.« Das klang so eindringlich, dass ich nickte und es versprach.
Als wir das Essen beendet hatten, war es bereits halb zehn. Mir fielen nach der Anspannung des Tages und dem guten Auflauf fast die Augen zu, und ich dachte, dass es mit den Desperate Housewives kaum noch etwas werden würde – sagte aber nichts. Am liebsten wäre es mir gewesen, wenn Dale gar nicht mehr wegfahren, sich nicht in Gefahr begeben würde.
Er ging jedoch betont locker in sein Büro, nachdem er mich gefragt hatte, ob ich das Spülen übernehmen würde. Ich hörte die Schreibtischschublade, als er die Smith & Wesson herausnahm. Mit einem dicken Schal über dem Kragen der Lederjacke kam er in die Küche, um sich zu verabschieden.
»Bis später.«
Ich nahm ihn fest in den Arm. »Pass bitte auf dich auf.«
»Klar. Schließt du hinter mir ab?«
Ich blieb in der Haustür stehen und sah ihm nach, wie er den Weg entlangging. Kurz darauf hörte ich, wie der Fiesta angelassen wurde und vom Grundstück fuhr. Er hatte nicht einmal gewollt, dass ich das Gartentor hinter ihm wieder schloss, sondern erledigte das selbst. Ich zwang mich, in die Küche zu gehen und dort aufzuräumen. Als alles blitzte, setzte ich mich wieder an den Tisch und blickte zu dem verrammelten Fenster. Ich war sicher, dass Dales Abwesenheit etwas mit mir zu tun haben musste. Vermutlich hatte er auch am Morgen nicht die Wahrheit gesagt, als er behauptete, für einen anderen Job unterwegs gewesen zu sein.
Ich seufzte. Was konnte ich tun? Ich war zur Untätigkeit verdammt, dazu, seine Spielregeln einzuhalten und zu hoffen, dass er unversehrt zurückkehrte. Grässlich!
Ich ging ins Büro, holte das Telefon in die Küche, wählte Andys Anschluss im Krankenhaus. Verschlafen meldete er sich.
»Entschuldigung, jetzt hab ich dich geweckt.«
»Ja, das Nachtleben ist hier nicht so richtig aufregend, da fallen einem schon mal die Augen zu.«
»Tut mir leid.«
»Ich freu mich doch, von dir zu hören.« Nun klang er viel wacher. »Was gibt’s? Bist du wieder zu Hause?«
Sollte ich ihn auch noch verrückt machen? Was hatte ich überhaupt mit dem Anruf bezweckt? Doch nur, mich
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