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Ruchlos

Ruchlos

Titel: Ruchlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Baum
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Aufmacher werden sollte, und unendlich viel liegen gebliebener alltäglicher Arbeit vor uns.
    Während ich schon ein Feld für einen Artikel aufzog, rief ich Andy an, um ihm zu sagen, dass wir unsere kleine Feier vertagen müssten. Er war geknickt, vor allem wohl, weil er gern in der Redaktion gewesen wäre. Wir sollten uns nicht allen Biss nehmen lassen, forderte er. Ich war kurz davor, ihm vorzuschlagen, das selbst mit der Chefetage durchzudiskutieren. Da ich jedoch wusste, dass er der Aufforderung sofort nachkommen würde, ließ ich es.
    Danach wählte ich Dales Nummer, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Ich hinterließ ihm ein paar Sätze: dass die größte Gefahr vorbei sei, wir außerdem noch entsetzlich viel Arbeit hätten, ich also später kommen und sofort wieder in unsere Wohnung umsiedeln würde. Dann machte ich mich konzentriert daran, Fotos einzupassen, Texte zu redigieren und die Seiten fertigzustellen.
    Um kurz nach acht hatten wir es geschafft. Auf der Eins prangte das Foto der beschmierten Fassade des Verlagshauses mit einem dicken Schriftzug darüber: »Rechtsextremisten vor dem Aus«; in dem Artikel wurde die Geschichte des ›Sturmtrupp Dynamo‹ angerissen, eine Chronologie der Geschehnisse der letzten Woche gegeben sowie über die Fahndungen und Festnahmen der Kripo berichtet. Als Autoren waren Martin, Jonas und ich genannt – im Text hatten wir allerdings Andy und mich nicht namentlich erwähnt.
    »Und tschüss!« Martin schickte die Seite per Mausklick in die Druckerei, nachdem wir sie abschließend zu dritt begutachtet hatten, drehte sich zu uns um. »Das war’s. Ich glaube, bei Ingeborg steht noch eine Flasche Sekt. Wie wär’s?«
    »Für mich nicht«, sagte ich, »aber –«
    Dale klopfte kurz an den Rahmen der offenen Tür, trat ein.
    »Hallo zusammen!«
    »Hi! Hast du meine Nachricht nicht bekommen?«
    »Doch, aber ich wollte gern mit dir essen gehen.« Sein Gesicht war unbewegt, ohne Lächeln.
    »Okay«, stimmte ich überrascht zu. »Dann feiern wir wann anders«, verabschiedete ich mich von den beiden Kollegen, holte meine Jacke und verließ mit Dale die Redaktion.
    Er war mit dem Auto gekommen und dirigierte mich zum Parkstreifen der St. Petersburger Straße.
    »Ich dachte, du musst heute Abend auch wieder weg?«, fragte ich, als wir im Auto saßen.
    »Später.« Er hatte den Blinker gesetzt und starrte in den Rückspiegel. »Bist du mit der Casa Ingram einverstanden?«
    Ich schaute zu ihm herüber. Das scharf geschnittene Profil verriet nichts von seinen Gedanken. »Aber warum? Du hast gerade gefragt, ob wir essen gehen. Ich würde dich gerne einladen.«
    Dale wedelte mit der rechten Hand herum, bevor er hochschaltete. »Das musst du nicht.«
    Er wendete an der Ampel und nahm Kurs auf die Neustadt.
    »Ich will es aber.«
    Er sagte nichts, zog seine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche, legte sie auf die Ablage.
    »Was ist los, Dale? Warum lockst du mich von meinen Kollegen weg, wenn du bloß mit mir in deiner Küche sitzen willst und danach wieder abhaust? Ich habe Grund zu feiern: Die Kripo hat einen der Nazis in die Mangel genommen und Namen bekommen. Der ›Sturmtrupp‹ dürfte erledigt sein!«
    Wir passierten die große Kreuzung am Pirnaischen Platz und befuhren die Carolabrücke. Das beleuchtete Altstadtpanorama glänzte idyllisch vor dem dunklen Herbsthimmel.
    Dale schwieg. Erst als wir bereits auf der anderen Seite angekommen waren, begann er:
    »Kirsten, du bist naiv, wenn du denkst, dass die Gefahr damit vorüber ist. Ich will, dass du noch bei mir bleibst. Und ich denke, es ist praktikabler, wenn wir bei mir essen.«
    »Praktikabler? Was soll das denn heißen? Ich weiß, dass noch immer ein Risiko besteht, aber du übertreibst doch maßlos.«
    Dale steuerte den Wagen in den Kreisverkehr des Albertplatzes hinein.
    »Vielleicht. Aber bitte vertrau mir.« Er machte eine Pause, blinkte, um in die Antonstraße einzubiegen. »Ich hatte Lasagne eingefroren, die habe ich aufgetaut«, verlegte er sich auf einen überredenden Tonfall.
    Ich hätte gern mit Martin und Jonas angestoßen, und vielleicht wären wir noch in eins der Restaurants in der Weißen Gasse gegangen. Oder ich hätte doch Andreas kurz besucht. Und mich naiv zu nennen, fand ich dreist von Dale. Andererseits war die Situation, wie sie war, und die Aussicht, mir irgendwo etwas zu essen zu besorgen und dann allein in unserer leeren Wohnung zu sitzen, lockte mich nicht besonders.
    »Na gut«, stimmte ich

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