Rudernde Hunde
Zwischenräume zwischen den Regalen nur mit Einlegeböden verband, so daß jeweils breite, doppelte Wände entstanden, sah die Bücherwand plötzlich nicht mehr nach IKEA aus. Von mir also kein schlechtes Wort über Billy!
Von mir nicht.
Welcher Teufel aber ritt IKEA, uns jetzt ein Billy-Eckregal (Katalog 1999, Seite 148/149, ab 239 DM ) anzubieten? Das ist blanker, haarsträubender Unfug. Man kann die Billy-Regale sehr gut über Eck stellen, Kante an Kante, verliert nur einen Raum von der Tiefe der Regale, 28 Zentimeter. Das Eckregal dagegen mit einem rombenartigen Querschnitt bietet nicht für ein einziges Buch mehr Platz. Es schneidet die Ecke diagonal ab und hat die schlechte Eigenschaft, daß die Bücher, die am Rand stehen, nach hinten versinken, weil sie keine Seitenwand haben, an der sie glatt anliegen können. Wer will das, wer braucht das? Wir sind einmal auf ein solches Regal hereingefallen, und wir nannten es das Büchergrab. Da kam mir eines Tages ein das Eckregal möglicherweise rettender Gedanke.
IKEA, einst angetreten als Möbelhaus für die finanzschwachen Jungvermählten und deren Erstwohnung oder für Studenten-wohnungen, schickt sich an, uns durch das ganze Leben zu begleiten. Die Möbel sind gediegener, die Verarbeitung ist besser, freilich sind auch die Preise gestiegen. Von den Kindermöbeln, dem Bettchen, dem Tischchen, dem Stühlchen über die Möbel für junge Leute, die praktischen, einfachen, bis zu den Ohrensesseln und den massiven Schränken reicht die Palette. Betten, in denen wir heranwachsen, Betten, in denen wir den Nachwuchs zeugen, Betten, in denen wir sterben, Sessel, in denen wir endlich die dicken Romane der Weltliteratur lesen und unsere Zigarre rauchen, den Lebensabend verbringen. Von den Vasen, Tassen, Tellern, Bestecken, Salatsieben, Käsereiben, Badezimmer-spiegeln, Teppichen, Töpfen und Blumenbänken ganz zu schweigen. Wir müssen, so wir nicht einen anderen, ausgefalleneren Geschmack oder einfach zuviel Geld haben, in unserem Leben kein anderes Möbelhaus mehr aufsuchen. Nur mit dem letzten Möbel, das wir brauchen, läßt uns IKEA im Stich. Im ganzen IKEA-Programm kein Sarg.
Da liefern uns die Schweden am Ende den Beerdigungsinstituts-Haien aus, die uns ihre teuren, völlig überdimensionierten komfortablen Prunksärge verkaufen, die wie Staatskarossen daherkommen. Sie kosten soviel wie ein Kleinwagen, und wenn wir uns verbrennen lassen wollen, dann verspricht man uns auch noch, daß diese edlen Prachtstücke mitverbrannt werden, was ohnehin niemand glaubt und auch wirtschaftlich unsinnig wäre. Da leben wir jahrelang in preiswerten Möbeln, und für die wenigen Meter von der Leichenhalle bis zum Grab oder zum Krematorium werden wir fürstlich gebettet, nur weil eine Bande von Monopolisten sich dabei eine goldene Nase verdient. Lieber Elch aus Schweden, du hast uns vor den unsäglichen Möbel-Centern mit ihren Mammutkreationen, dieser Ansammlung schlechten Geschmacks, erfolgreich geschützt, du hast uns deinen Geschmacksstempel aufgedrückt, mit dem wir klarkamen, doch am Ende verläßt du uns. Warum?
Ein Vorschlag zur Güte:
Das Billy-Eckregal, dieses ansonsten unnütze Gebilde, flach, mit der Rückwand auf den Boden gelegt, hat doch schon die klassische Form eines Sargs. Zweimeterzwei lang, das reicht fast für jeden von uns, im Inneren fast achtzig Zentimeter Raum, auch das genügt. Vier Griffe aus dem Küchenprogramm, und unsere Hinterbliebenen können uns tragen. Fehlt nur noch ein Deckel.
Sollten uns unsere Hinterbliebenen auf unserem letzten Gang sehen wollen, empfehle ich die gläsernen Billy-Vitrinentüren.
Ansonsten sollte man über einen geeigneten, möglichweise auch dezent dekorativen Deckel noch nachdenken. Für mich kann ich mir nichts Erhebenderes vorstellen, als in einem Bücherregal begraben zu werden, vielleicht mit meinen Lieblingsbüchern. Und nachdem Billy nun wohl nicht mehr formaldehydbelastet ist, dürften sich weder bei der Verbrennung durch eventuell austretende Gifte noch bei der Erdbestattung für die Gesundheit der Würmer und des Bodens Probleme ergeben.
Und nach der Verbrennung empfehle ich die Vase ›VALUTA‹
(Katalog 1999, Seite 260,10 DM) oder die ›Servierschüssel mit Deckel und praktischem Griff‹ aus der Serie IKEA 365+ (For all the days ofthe Year) (Katalog 1999, Seite 2.64, DM 69). Das ist sehr viel billiger als jede Urne.
Mit IKEA leben - mit IKEA sterben!
Trachtenmode
E INE GRUPPE deutscher Dokumentarfilmer
Weitere Kostenlose Bücher