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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Gegenstände gebracht, und ich hätte sie repariert. Er hätte schwadroniert, den Schaden festgestellt und registriert, mich aufgefordert, ihn zu beheben, und die Leute während der Wartezeit unterhalten.
    »Oh, schöne Frau, das Radio kaputt? Lassen Sie mal sehen. Ja, das Lautsprecherpotentiometer ist hinüber. Das macht Ihnen mein Sohn. Der Herr Gemahl kann das nicht? Na ja, wenn er sonst - oh, gestorben, das tut mir aber leid. So jung und schon Witwe. Passen Sie auf, gute Frau, gehen Sie schön mit dem Gerät nach Hause, wir kommen dann vorbei - darfs vielleicht auch ein Schlüsselbrettchen für innen an die Haustür sein? Ja, doch, macht sich gut. Und im Schlafzimmer soweit alles in Ordnung? Dann bis später, Madame.«
    Meine Mutter bewahrte mich davor - der Schule und der höheren Ziele wegen.
    Auf dem Bau nannten wir solche wie meinen Vater die Arbeitanschauer. Zwei linke Hände, von allem etwas Ahnung, eine Spur Bildung und Wissen, ein geöltes Mundwerk, Sprüche und Charme. Heute sind solche Leute Subunternehmer - wie mein Freund Leopold zum Beispiel, der sich auch schon als Zuhälter versucht hat. Damals waren Menschen mit dieser Begabung Vertreter - wie mein Vater. Er konnte jedem jederzeit das Gefühl vermitteln, daß er natürlich all das selbst bauen und reparieren konnte, daß er von allem etwas verstand und nur gerade im Moment wegen seiner Überarbeitung nicht selbst Hand anlegen könne. Manchmal unterstrich er seine erklärte Bereitschaft, zu helfen und zu handeln und die Dinge in Gang zu bringen, mit einem kurzen Handgriff. Er strich eine halbe Zaunlatte von den dreihundert zu streichenden, er machte zwei Spatenstiche, wo eine Grube auszuheben war, um den toten Hund zu begraben, oder er zeichnete mit dem Bleistift an, wo ein erster von vielen Nägeln einzuschlagen war. Dann klopfte er imaginären Staub von Händen, Jacke und Hose und ging eilig davon, vermeintlichen Geschäften folgend, die er stets fast vergessen hätte. Daß er schon mit dem Einschlagen jenes ersten Nagels überfordert gewesen wäre, das begriff ich erst, als er sich tatsächlich einmal anschickte, etwas zu bauen. Das kam so:
    Die Firma, für die mein Vater malzhaltige, gesunde Kindernahrung verkaufte, hatte Pleite gemacht. Wir hatten den Keller voll mit dem nicht mehr verkäuflichen, klebrigen Zeug in großen Blechdosen, das wir noch jahrelang, ehe es dann doch verdarb, essen mußten, und Vater hatte wieder mal keinen Job. In der Zeit brachte er mir das Schachspielen bei, das er im Krieg gelernt hatte. Er gewann immer und möbelte mit diesen leichten Siegen gegen mich sein lädiertes Selbstwertgefühl auf. Dann hatte er einen neuen Job. In einem Kombi fuhr er über Land und verkaufte ein neues, speziell entwickeltes, als Patent angemeldetes Hühnerfutter, das aus Soja und getrocknetem und zerriebenem peruanischen Fisch bestand. Die siebzehn Monate, die Vater diesen Job hatte, stank unser Haus nach diesem Futter.
    Nicht nur das Haus. Die Kleider stanken danach. Ich saß in der Schulbank und roch nach diesem peruanischen Fisch. Seit damals esse ich keinen Fisch mehr.
    Ein kleiner Bauernhof, von dem wir bisher unsere Eier bezogen hatten, weigerte sich, seine Hühner statt mit Körnern mit Vaters Futtermittel zu füttern. Fortan kauften wir von ihm, der sich so schnöde dem Fortschritt verweigerte, keine Eier mehr. Vater beschloß, wir würden selbst Hühner haben. Eines Tages brachte er vier Hühner und (den war er sich schuldig) einen Hahn mit, aber wir hatten natürlich keinen Hühnerstall. »Dann bauen wir am Wochenende einen«, triumphierte er.
    »Wer ist wir?« fragte meine Mutter ängstlich.
    »Na, ich - und der Junge kann mir zur Hand gehen.«
    »Der hat nächste Woche eine Schularbeit in Latein, das kommt nicht in Frage.«
    »Dann muß ich das eben allein machen!« schrie mein Vater,
    »man muß ja hier anscheinend alles selbst machen.«
    Wenn sich mein Vater unkontrolliert in eine Wut hineinmanövriert hatte, weil alle Geschicke der Welt an ihm hingen, setzte das für kurze Zeit heftige Aktivitäten frei. Er nahm Maß, rechnete, plante, zeichnete, verkleinerte, nahm wieder Maß, fuhr in die Stadt, kaufte ein Buch über Hühnerhaltung, rechnete, zeichnete, plante und vermaß von neuem und verkündete nach drei Tagen: »Der Stall ist quasi fertig, man muß ihn nur noch zusammenbauen.« Aber dafür habe er nun nicht auch noch Zeit. Wochen vergingen. Die Hühner schissen den Keller voll, und Mutter war am Rande der

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