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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Haben Sie es?«
    »Nein«, sagte Hilde, »ich hab nur das Weiße Album von den Beatles, und da ist das nicht drauf.«
    »Nein«, sagte Bruni, »Norwegian Wood ist auf Rubber Soul, haben Sie denn Rubber Soul nicht?«
    »Nein«, sagte Hilde entnervt und drückte heftig ihre Zigarette aus. »Ich habe Rubber Soul nicht, und ich habe auch keine Zeit mehr und möchte unbedingt jetzt diese Wohnung verlassen.«
    »Auf Rubber Soul ist auch Baby you can drive my car«, sagte Bruni, »beepbeep'n beepbeep-a-yeah.«
    »Ich gehe jetzt«, sagte Hilde und stand auf.
    »Aber Sie kennen doch Norwegian Wood, oder?« fragte Bruni und begann mit zittriger Stimme zu singen:
    »I once had a girl, or should I say, she once had me? She showed me her room, isn't it good? Norwegian Wood.«
    »Kenn ich«, erinnerte Hilde sich unlustig, »aber das mochte ich nie. Ich mochte am liebsten Eleanor Rigby«, und sie sang: »Ah, look at all the lonely people, where do they all belong?« ; Bruni nickte. »Waren schon grandios, die Beatles«, sagte sie.
    »Wissen Sie noch, Yesterday« Und schon sang sie und fing dabei auch noch an zu weinen: »Yesterday, all my troubles seemed so far away, now it looks as though they're here to stay... ich kann doch auch nichts dazu, daß der Leo jetzt gerade hier oben bei Ihnen sitzt, mein Gott. Er ist doch mein ein und alles, ich kann ihn da doch nicht einfach sitzen lassen.«
    Sie zog ein zerknülltes Taschentuch aus der Tasche ihrer Shorts und putzte sich laut die Nase. Leo schnarrte, Hilde seufzte.
    »Nein«, sagte sie, »das sehe ich ein, aber was sollen wir denn machen, er sitzt nun mal da und kommt nicht runter, und ich bin zum Essen eingeladen.«
    »Hase in Rotwein«, sagte Bruni vorwurfsvoll. Beide Frauen schwiegen.
    »Könnten wir nicht zusammen Norwegian Wood singen?« fragte Bruni schließlich. »Das mag er so gern, dann kommt er vielleicht.«
    »Aber ich kenn doch Norwegian Wood kaum«, sagte Hilde, und Bruni fing wieder an: »She asked me to stay and she told me to sit anywhere. So I looked around and I noticed there wasn't a chair.«
    »Großer Gott, nein, das kann ich nicht singen«, sagte Hilde.
    »Singen Sie es doch allein, Sie kennen das Lied, und er kennt Ihre Stimme.«
    »Leo«, sagte Bruni, »er heißt Leo. Ja, er kennt meine Stimme, aber zu zweit wäre es kräftiger, verstehen Sie?«
    Sie ging zurück auf den Balkon, sah zu Leo hoch und sang dünn und zittrig:
    »And when I awoke I was alone, this bird had flown; so I lit a fire, isn't it good, Norwegian Wood?«
    Der Vogel rührte sich nicht. Bruni kam wieder ins Zimmer.
    »Der steckt die ganze Wohnung in Brand«, sagte sie. »Leo?«
    fragte Hilde ungläubig, und Bruni schüttelte den Kopf. »Nein, der in dem Lied. I lit a fire, Norwegian Wood, weil ja alles aus Holz ist und so schön brennt. Vielleicht mag Leo das Lied so gern, weil es ihn an den Wald erinnert und weil ja auch ein Vogel drin vorkommt, this bird has flown.«
    »Aha«, sagte Hilde verständnislos und zog ihr Kostümjäckchen wieder aus, weil ihr jetzt viel zu warm war. Sie sah Bruni entnervt an.
    »Warum tragen Sie kein John-Lennon-T-Shirt?« fragte sie und zeigte auf Bob Marley.
    »Oh, das«, sagte Bruni und zupfte an sich rum, »den mag ich auch gern, No woman, no cry. «
    »Das hab ich«, sagte Hilde. Bruni riß die Augen auf. »Ehrlich?«
    fragte sie, »das kennt er auch, No woman, no cry, ach bitte, legen Sie das doch mal auf, vielleicht kommt er ja dann.«
    Hilde raffte sich auf und suchte aus dem Stapel herumliegender CD's Best of Bob Marley, Bruni war währenddessen wieder auf den Balkon gegangen und redete mit ihrem Vogel.
    »Komm doch runter«, sagte sie, »komm zu Mutti, Leo, mein Herzchen.«
    Aber offensichtlich hatte Leo andere Pläne oder mochte kein Herzchen mehr sein - er blieb, wo er war. Hilde hatte Bob Marley gefunden und legte die CD auf. Sie suchte die richtige Stelle, stellte etwas lauter, und es ertönten Reggaerhythmen. Sie ging auf den Balkon, stellte sich zu Bruni, und beide sahen zu, wie der Vogel wippte, den Kopf schief legte, aber keine Anstalten machte, zu ihnen hinunter zu fliegen.
    »No woman, no cry«, sagte Bruni mit trauriger Stimme, »hörst du, Leo, nein, Frau, du nicht weinen, aber Mutti weint, wenn du nicht kommst.«
    Der Vogel schrie plötzlich laut und deutlich: »Mutti!«
    Hilde war verdutzt. »Der spricht?« fragte sie. Bruni nickte stolz.
    »Und wie«, sagte sie, »besser als jeder Papagei, er singt Lieder, er spricht, er ist ein

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