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Rudernde Hunde

Rudernde Hunde

Titel: Rudernde Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Verzweiflung. Sie drohte mit Auszug, Weggehen, Trennung, Scheidung und sogar mit Selbstmord. Damit bekam sie meinen Vater, der auf die Hühner auf keinen Fall verzichten wollte, so weit, daß der Bau nunmehr in Angriff genommen werden sollte. Just am Abend vor zwei schulfreien Tagen - ich wollte mit meinem Freund Benno eine Fahrradtour an den Starnberger See machen - wurden Latten, Hühnerdraht, Bretter, Dachpappe und Nägel angeliefert. Er ließ anliefern! Man hätte das alles bei Holzmann nebenan holen können, aber die hatten sich auch geweigert, ihre Hühner mit dem besagten Futter zu füttern.
    Am nächsten Morgen sollte es also losgehen, aus der Fahrradtour wurde nichts, denn ich war als »Handlanger«
    eingeplant. Schon früh ging Vater laut pfeifend, sich Mut machend und mich weckend, durchs Haus. Dann standen wir vor dem Material. Er ordnete an, legte die Latten zu abenteuerlichen Rechtecken zusammen, markierte vage Schnittstellen auf den Latten, verteilte Nägel und Werkzeug auf dem Boden, bereitete die Arbeit vor. Ich durchschaute blitzschnell die Situation, ich erkannte, daß er nicht wußte, wie man eine solche Arbeit beginnt, daß er zum Beispiel zunächst die Latten zusammennageln wollte, um sie dann erst an den Enden abzusägen. Es kam mir töricht vor, aber in mir brodelte etwas. Ich wollte ihn scheitern sehen, ich wollte Rache üben für die vielen Großspurigkeiten und nicht zuletzt für die verlorenen Schachpartien. Ich schützte ihn also nicht, ich ließ ihn auflaufen und scheitern. Heute weiß ich, daß er gehofft hatte, ich würde ihn von dieser Arbeit, der er jetzt nicht mehr entkam und die nicht die seine war, erlösen. Ich tat es nicht. Auf seiner Stirn standen schon Schweißperlen, er nahm den Hammer und einen meiner Meinung nach viel zu großen Nagel und setzte ihn da an, wo er zwei Leistenenden im rechten Winkel aufeinandernageln wollte. Jetzt sah ich etwas, das mir bis zu diesem Moment verborgen geblieben war, weil ich es gar nicht für möglich gehalten hatte: mein Vater war tatsächlich so ungeschickt, daß er gar nicht wußte, wie man einen Hammer anfaßt! Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt meines Lebens nicht gewußt, daß es einen erwachsenen Menschen (nein, Mann, dachte ich damals) gibt, der das nicht kann. Vater scheiterte kläglich und klassisch: der Nagel spreizte beide Lattenenden so, daß sie sich spalteten, aufrissen, klaffende Holzwunden zeigten. Vater fluchte, schimpfte auf das viel zu wenig abgelagerte Holz, auf den Hammer, auf die Nägel, auf die Hühner und die Eier. Es wäre jetzt ein leichtes gewesen, das zu tun, worauf es ohnehin hinauslaufen würde: die Arbeit zu übernehmen.
    Ich hätte sagen können, laß uns das Holz erst auf die entsprechenden Längen schneiden, laß uns eine gute Unterlage nehmen, dieses und jenes. Aber ich war gemein, ich wollte meinen Triumph. Ich nahm den Hammer und einen kleineren Nagel, drehte den Nagel um, setzte ihn mit dem Kopf auf einen zweiten Hammer, der am Boden lag, schlug mit meinem Hammer leicht auf die Nagelspitze (der alte Schreinertrick), legte als Unterlage ein Brettchen unter die beiden zusammenzunagelnden Latten, damit sie nicht mehr federn konnten, setzte den Nagel an und trieb ihn hinein. Ich sah, was in meinem Vater vorging. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er höhnisch, mein Gott, er will den Nagel verkehrt herum hineinschlagen. Dann verstand er, dann staunte er, und ein kleines bewunderndes Lächeln, ein Anflug von Stolz und Anerkennung war in seinem Gesicht. Doch das Bewußtsein um die Niederlage war stärker, zumal ich jetzt nachlegte. Ich erklärte, wie ich die Arbeit beginnen und weiterführen würde. Fahrig, als sei ihm gerade etwas ganz anderes, aber sehr Wichtiges eingefallen, hörte er zu und sagte dann: »Na, wenn du eh Bescheid weißt, dann muß ich dir das ja nicht erklären, dann kannst du schon mal weitermachen. Ich fahr noch mal in den Laden rüber und hol noch Maschendraht. Das ist zu wenig, denn wir müssen auch oben drüber zumachen, wegen der Habichte, du weißt.«
    Ich wußte.
    Ich wußte, daß es hier kaum Habichte gab, und daß sie, wenn überhaupt, dann nur Küken holten, und daß niemand hier den Hühnerstall oben zugemacht hatte.
    Er ging und kam nicht mehr wieder.
    Spät in der Nacht, ich hatte bis zum Abend den Hühnerstall fast fertig, hatte wie besessen gearbeitet, hörte ich ihn betrunken die Treppe hinauftorkeln. Am nächsten Morgen, als ich noch Feinarbeit an meinem Hühnerstall

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