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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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das gleiche Fahren wie mit dem Aston Martin, aber ich hatte so lange keinen Wagen mehr gehabt, daß mein Vergnügen ungetrübt war, und so wenig ich mich auf der Hinfahrt darum geschert hatte, so sehr interessierte ich mich jetzt dafür, ich konnte es kaum fassen, daß dieses Ding fuhr und daß man eine solche Schlichtheit, eine solche Strenge der Innenausstattung erreichen konnte, mich erfaßte eine belustigte Verwunderung, nicht zuletzt wegen des Armaturenbretts, das der Zelle eines Mönchs glich. Ich hatte diesen Wagen fast adoptiert, als ich bei Sarah anhielt. Ich rieb mir die Hände, als ich ausstieg. Nicht daß ich, was diese Angelegenheit betraf, zu irgendeinem Entschluß gekommen wäre, aber nicht alles in diesem Leben durfte eine Quelle von Ärgernissen sein. Und die Hoffnung zu verlieren, war die einzige echte Sünde, die man begehen konnte.
    Als ich zu den anderen stieß, fragte man mich, wo ich abgeblieben sei und wie sich die Kiste fahre und was ich so lang getrieben hätte und ob ich Hunger hätte oder Durst und ob ich mich gut amüsiert hätte. Ich beschloß, nichts von meinem Treffen mit Marianne zu erzählen, und verriet ihnen, ich käme geradewegs von Max, ich sei die ganze Zeit bei ihm gewesen, ich sei ganz plötzlich auf den Gedanken gekommen, und ich hätte es nicht übers Herz gebracht, mich zu verdrücken, mehr sei nicht gewesen, jeder andere hätte an meiner Stelle genauso gehandelt. Sarah meinte zu mir, weißt du, ich war richtig traurig, während sie mich zum Tisch führte, auf dem man mir etwas zu essen aufbewahrt hatte.
    Manchmal hielt sie sich für meine Freundin oder Gott weiß was, man durfte dem keine Beachtung schenken, und daß uns dieses Verhältnis, in dem wir zueinander standen, eines Tages gänzlich meschugge machen würde, davon war ich ohnehin überzeugt, ganz gleich, wie sie darüber dachte, die Mädchen, die halten sich immer für schlau genug, mit dem Feuer zu spielen. Nichtsdestotrotz ließ ich mich von ihr verhätscheln und hängte mich weiter bei ihr ein, während ich vor mich hin knabberte, denn ich hatte beobachten können, daß Elsie derlei Sachen nicht sonderlich schätzte, eines besseren Beweises als des finsteren Blickes, den sie mir zuwarf, als ich Sarahs Hals küßte, bedurfte es nicht.
    Paul schlängelte sich alsbald zu mir durch.
    - Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich freue …! flüsterte er mir zu, dabei stieß er mich mit dem Ellbogen an.
    Ich lächelte und überlegte, ob er vielleicht ein Duett mit Sarah einstudiert hatte.
    - Na, freu dich nicht zu früh …! sagte ich und ließ einen wohlwollenden Blick über die Versammlung streichen. Noch habt ihr mich nicht …!
    Man hätte meinen können, ich hätte ihm den Tod seiner Mutter verkündet. Er zog die gleiche Grimasse wie damals, als ich ihm erklärt hatte, ich würde keine Zeile mehr schreiben, das sei vorbei. Man hätte meinen können, ich ließe ihn im Stich. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, daß Herbert Astringart die Ohren spitzte und ein paar Brocken unseres Gesprächs aufzuschnappen suchte.
    - Ah …! Du willst mich nur auf den Arm nehmen …! ächzte Paul.
    - Nein …. bestimmt nicht. Meine Güte, findest du es nicht schön, wenn sich ein Typ wehrt …?!
    - Wogegen denn, großer Gott …? Wogegen …??!!
    - Ach! Wogegen, ist doch egal …! feixte ich. Wie heißt es so schön: Totgesagte leben länger.
    Ich verzog mich, um der Sache ein Ende zu machen. Ich wollte nicht mehr daran denken. Also stellte ich mich nah an die Bar und fing an, rechts und links zu palavern, um auf andere Gedanken zu kommen. Das waren belanglose Gespräche, Geschichten, bei denen man im Stehen einschlief, der letzte Blödsinn, Tratsch, Geschwätz, aber Gott, was für eine Ruhe, was für eine erholsame Tätigkeit für den Geist, ah, was war es angenehm – und zwerchfellerschütternd –, sich die Frage zu stellen, ob der Roman tot war, was war es unterhaltsam, über Mahlers Zweite zu diskutieren – die meisten hielten es mit Slatkin, ich hielt eher zu Inbal –, und selbst der neusten Modethemen wurde man nicht überdrüssig, ah, das war Manna, eine wahre Wohltat, die beruhigende Gewähr, auf keinen Fall an irgendein Thema von Interesse zu geraten.
    Ich weiß nicht, was mich mehr besoffen machte, die Worte oder der Alkohol, jedenfalls hatte ich gegen drei Uhr morgens das Gefühl, ein leichter Nebel ziehe durch die Bude, allerdings nichts Schlimmes und bei genauerer Überlegung auch nicht unangenehm. Soweit ich

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