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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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ich schneide Fratzen) Ah, diese Rolle hatte ich weiß Gott nicht verdient …! Mist, verdammter … (Elsie ist dabei, meine Päckchen aufzuheben, ich werfe einen kurzen Blick zwischen ihre Beine, ich habe keine Zeit) Ja, Mist, verdammter …! Wenn ich bedenke, er ist mein Sohn und ich muß dir all das erzählen …! (worauf ich ihr das Fläschchen unversehens in die Hände knalle, und wir gucken uns an, und sie haßt mich) Bedenke, das ist nur eine Kostprobe … Die meisten sind danebengefallen, ah, das ist ein schwieriges Unterfangen … (ich bleibe todernst, ich verbreite eine zartbittere Stimmung) … Trotzdem, glaub mir – darauf habe ich höchstpersönlich geachtet –, niemals haben wir deinen Namen in unserer Bude erwähnt, aber das war vergebliche Liebesmüh … (ich versuche, ihr das Fläschchen wieder zu stibitzen, aber sie ist schneller als ich, und ich gebe mich geschlagen, ich weiß, was ich wissen will) Ich habe ihm sogar gesagt: Am besten, du weinst JEDESMAL, wenn du an sie denkst, dann bekämst du es schneller voll …! (und genau in diesem Moment schaltet sich Hermann ein)
    Das trifft mich so unvorbereitet, daß mein Herz einen Satz macht, als er zwischen uns auftaucht. Eigentlich sollte ich froh sein, ihn zu sehen. Nun, mich befällt sogleich ein merkwürdiges Unbehagen. Seine griesgrämige Miene stört mich weniger, es ist etwas anderes, jedenfalls ist mir seine Gegenwart entschieden unangenehm. Dann, während ich noch überlege, überkommt mich urplötzlich die Ahnung eines unmittelbar bevorstehenden Desasters, einer gottverfluchten Sintflut, obwohl er noch keinen Ton gesagt hat. Aber ich kann nichts dagegen tun, ich bin nicht geistesgegenwärtig genug, und das Blut gefriert mir in sämtlichen Adern.
    - Nein, hör nicht auf ihn, Gladys … Spuck mir lieber ins Gesicht …! sagt er.
    Mir wird nicht einmal übel, als ich mir diese Schändlichkeiten anhören muß. Ich habe das Gefühl, etwas Vergiftetes gegessen zu haben, und so weiche ich vorsichtig, nach Luft ringend, einen Schritt zurück. Stumpfsinnig starre ich Hermann an. Inständig, aus tiefster Seele bitte ich ihn zu schweigen, um Himmels willen, Kleiner, halt die Klappe, ich flehe dich an …! Aber meinen Lippen entringt sich nur ein schwaches, trübseliges Krächzen, die Andeutung eines Röcheins, ein in Anbetracht der Eindringlichkeit meiner Bitte blasphemisches Kullern.
    Gladys, die Ärmste, steht völlig verdutzt da. Ich erwäge einen Augenblick, mich auf sie zu stürzen, um ihr die Ohren zuzuhalten, aber ich bin die Reglosigkeit in Person. Hermann wirft mir einen betrübten Blick zu. Erbost gucke ich in die Luft. Um ihn alsbald mezza voce sagen zu hören:
    - Glad, ich bin nur ein elender Lügner …!
    Für den angenehmen Bruchteil einer Sekunde vergesse ich vollkommen den Schlamassel, in dem wir sitzen, und ich sage mir, guck an, ich wußte gar nicht, daß er sie Glad nennt, das ist gar nicht so übel …! So daß ich nicht sofort die ultrakomische Seite der Sache erfasse, aber da bin ich nicht der einzige. Die Windstille hält jedoch nicht lange an, denn schon fährt er verbissen fort:
    - Wenn ich jetzt schweigen würde, glaub mir, ich könnte dir nicht mehr in die Augen schauen … Gib mir das Fläschchen zurück, damit ich es verschwinden lasse … Bitte …!
    Ich betrachte sie erneut, es ist nicht das erste Mal, daß hienieden einem Typen, der sich selbst aufgibt, die Decke auf den Schädel knallt oder daß es ihm die Sprache verschlägt. Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, daß einen derart unfaßliche Schicksalsschläge ereilen können.
    - Ah, Elsie, kneif mich …! sage ich mir, während Gladys, gänzlich verunsichert, herauszurücken zögert, was sie zwanzig Sekunden zuvor noch so aufgewühlt hat. Allein Hermann läßt sich in seinem Schwung nicht aufhalten und streckt ihr eine unerbittliche Hand entgegen:
    - Menschenskind, gib mir dieses Scheißding …! ächzt er tonlos. Wenn du wüßtest, wieviel Zwiebeln ich geschält habe …
    Ich warte nicht einmal ab, bis er zu Ende gesprochen hat. Ich verliere auf einmal jedes Interesse an dem, was folgen wird.
    - Na schön, das reicht … Gehen wir! knurre ich abwesend, um sogleich einen fürchterlichen Schlenker in Richtung Flur vorzunehmen. Mir geht nur noch eins durch den Kopf: nichts mehr sehen, nichts mehr hören, keinen Gedanken mehr an diese Geschichte verschwenden. Man muß sich seiner Grenzen bewußt sein, wenn einem an seiner Gesundheit liegt.
    - Dan, was ist los mit

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