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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gedächtnis im Stich ließ – es kommt nicht alle Tage vor, daß ein Buch Spuren hinterläßt. Ich mochte es ganz und gar nicht, wenn man mir derlei Aufgaben übertrug, lieber kümmerte ich mich um die Tippfehler oder hielt als copy editor her, aber Marianne hatte nicht lockergelassen, und wenn mir langweilig wurde, versuchte ich an den Scheck zu denken, der am Monatsende fällig war. An diesem Morgen jedoch war ich vollkommen neben der Kappe, ich kreiste, die Beine in der Luft, mit meinem Stuhl oder schnellte in die Höhe, um einen Kaffee zu ziehen und mich an dem Auf und Ab der Sekretärinnen zu ergötzen, die in die Aufzüge hüpften oder durch den Flur defilierten. Kurz vor Mittag dann, entschlossen, mir Gewißheit zu verschaffen, ging ich zu Sarah hinunter.
    Ich kurvte um den Theatersaal herum und traf sie vor den Logen. Jeanne Flitchet war bei ihr, sie beugten sich über einen offenen Karton und stöhnten.
    - Herrgott …! Die machen mich noch verrückt …! klagte Sarah. Ah, Jeanne, sei doch so nett, und hol mir den Bestellschein …!
    - Na, voll im Streß …? fragte ich.
    Jeanne hob den Kopf und lächelte mich an. Sarah schloß nur die Augen, sie preßte die Hände gegen den Nacken und drückte die Ellbogen zusammen.
    - Jeanne, ruf die bitte an …. sagte sie ruhig, aber von einer kühlen Wut erfüllt. Sag ihnen, die können mich dreimal kreuzweise mit ihren dämlichen Perücken … Sag, ich schmeiß den Kram zum Fenster raus, verdammt nochmal …!
    Jeanne eilte davon, die Brust in beiden Händen. Nicht darauf erpicht, daß sich das Gewitter über meinem Haupt entlud, und auch nicht neugierig, was es mit diesen Perücken auf sich hatte, wartete ich mit zusammengekniffenen Lippen, daß sie sich für mich interessierte. Mir war durchaus bewußt, daß unser beider Lage nicht vergleichbar war, daß sie bis zum Hals in Arbeit und jeder Menge Verantwortung steckte und unentbehrlich geworden war für alles, was den reibungslosen Ablauf der diversen Darbietungen betraf, die unter dem Dach der Marianne-Bergen-Stiftung vonstatten gingen. Es gab kein Ballett, keine Revue, kein Stück, das nicht direkt auf ihren Schultern ruhte, den ganzen Tag über wurde sie gebraucht. Wo man hinhörte, hieß es, Sarah sei Gold wert, und auf den oberen Etagen schätzte man sich glücklich, daß man ein so feines Naschen bewiesen hatte und nun über die beste Regieassistentin der ganzen Stadt verfügte. Mich persönlich wunderte die Bedeutung, die sie erlangt hatte, keineswegs. Ich brauchte sie nur anzusehen. Wobei ich nicht umhin konnte, mir in aller Offenheit einzugestehen, daß man dergleichen von mir nicht behaupten konnte, daß ich an diesem Tag nicht gerade Funken sprühte, daß sich noch keine Sorgenfalte in meine Stirn gegraben hatte.
    - Nein, so eine Bande von Schwachköpfen …! seufzte sie.
    - Pah, denk nicht mehr dran … Gehn wir essen, hast du mal auf die Uhr geguckt …?
    - Essen? murmelte sie kaum vernehmbar und ging kopfschüttelnd an mir vorüber, um sogleich durch den Flur davonzuflitzen. Ich holte sie in ihrem Büro wieder ein.
    - Jetzt ist nicht die Zeit, mich aufs Essen anzusprechen …. fuhr sie fort, während sie weiß der Kuckuck was in den Fächern eines Metallschranks suchte.
    - Siehst du nicht, was ich um die Ohren habe …? – Ja, aber ich wüßte nicht, was das …
    - Mist! Wer hat denn hier wieder rumgewühlt …?!! JEANNE! LEG AUF, WENN KEINER DRANGEHT, rief sie zur Tür hinaus. SAG, MAN SOLL UNS ‘NEN FAHRRADKURIER VORBEISCHICKEN …!
    - Jemand, der mit leerem Magen in die Pedale treten kann, dachte ich bei mir.
    - Soll ich dir etwas mitbringen?
    - Hmm …? Nein, danke, ich will nichts … Wo hab ich nur diese Liste hingetan …?!
    Ich zögerte einen Moment. Fast wäre ich gegangen, ohne noch ein Wort zu sagen, aber der Zweifel nagte an mir.
    - Überdies … Richard kommt doch heute abend zurück …? erkundigte ich mich.
    - Mm … Jaja …
    - Und? Hat ihm der Ausflug gefallen …?
     
    An jenem Abend speiste ich mit Bernie. Hermann war zur Probe, und Elsie hatte mir für den Abend freie Hand gelassen. Mächtige rote Strahlen, lau und ruhig, drangen durch den Garten, und wir aßen im Freien, und ich war derjenige, der eine Sonnenbrille aufhatte, einzig wegen des Lichts.
    Er hatte uns ein köstliches Mahl zubereitet, nur für ihn und mich, aber meine Gedanken waren woanders.
    Beim Dessert sagte ich ihm, hör mal, ich schätze, er kommt bald zurück, ich glaube, er kommt sogar sehr bald.
     
    Und

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