Rückgrad
verschleierte sich.
Ich mußte erkennen – ich, der ich mir stets eingebildet hatte, ein Buch zu schreiben sei das Härteste auf der Welt –, daß in Wirklichkeit jeder sein kleines Opus verzapfte und daß die Sache, die mich fast um den Verstand gebracht hatte, letzten Endes nur ein weitverbreiteter Zeitvertreib war. Das war eine gute Lektion, leider kam sie für mich zu spät. Ich krepierte vor Hitze in meinem Büro, und die meiste Zeit langweilte ich mich zu Tode. Es war eine angenehme Abwechslung, wenn ein Manuskript mal nicht mit »Es regnete« anfing.
Jeden Morgen blieb ich an der Rezeption stehen, um mich nach Astringart zu erkundigen. Im Aufzug verfluchte ich ihn, und ich schaute kurz bei Paul herein, um mich zu beklagen, ohne jede Hoffnung, aber immerhin schob ich mein düsteres Tete-ä-tete mit dem Regen ein wenig hinaus.
- Herrgott, Danny … Wenn du mir wenigstens sagen würdest, wozu du überhaupt Lust hast …! Du weißt genau, ich bin zu allem bereit …
Ich unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Ich hatte schon ungefähr alles ausprobiert, was er mir vorgeschlagen hatte. Ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, daß mein angebliches Talent nur schwer an den Mann zu.bringen war, aber sie hatten sich geweigert, mir zu glauben. Insofern war es mir ein Trost, sie gewarnt zu haben.
Andererseits war ich auch nicht schlimmer als jeder andere. Ich hatte Astringart im Verdacht, im rechten Moment von Bord gehüpft, sprich krank geworden zu sein, aber da es nun einmal erforderlich war, rackerte ich für zwei, ich nörgelte, scheute jedoch keine Mühe, und am Abend hatte ich einen steifen Nacken. Ich entfernte mich dann leise aus meinem Büro, schob meine Sonnenbrille hoch und beugte mit geschlossenen Augen den Kopf zurück, um für einige Minuten reglos zu verharren, während sich der Flur leerte. Und ich dachte an Richard, nun ja, ich dachte ziemlich oft an ihn. Anschließend hatte ich den Aufzug für mich allein. Er roch noch ganz nach Parfüm und Körpergeruch.
Manchmal traf ich sie in meinem Garten an. Ganz in ihre Bücher vertieft, kritzelten sie mit zufriedener und erleichterter Miene ein paar letzte Notizen, und ich blieb drinnen und störte sie nicht, ich schaute ihnen durchs Fenster zu, ich saß da, ohne mich zu bewegen, hielt den Atem an und war von konfusen Empfindungen durchdrungen, und ich fragte mich, ob sie noch unschuldig waren oder ob es damit vorbei war, ich fragte mich, wo sie waren und wann sie dorthin aufgebrochen waren, aber ich blieb drinnen und störte sie nicht. Nach dem Pensum, das ich Tag für Tag leistete, hatte ich keine Lust, mich der Sonne auszusetzen. Ich blieb im Schatten, hörte ein wenig Musik, ich war nicht mehr imstande zu lesen, meine Augen waren müde. Auch wenn ich auf die fünfundvierzig zuging, mitunter hatte ich das Gefühl, überhaupt nichts zu wissen.
Wenn Elsie eintraf, richtete ich mich in meinem Sessel auf. Es gehörte zu ihren neuesten Errungenschaften, sich auf meinem Schoß niederzulassen, kaum daß sie eingetreten war. Ich war neugierig, wie lange unser Turteln noch anhalten würde, zumal Marc weiterhin mit gequälter Miene durch die Gegend streunte. Ich ließ mich ohne tiefergehende Überzeugung küssen, erwiderte ihre Küsse jedoch, denn ein bißchen Liebe kann nie schaden, und wer weiß schon, wie es morgen aussieht …? Ich schaute ihr gern zu, wenn sie aufstand, wenn sie mit meinen Lippen fertig war, ergötzte mich an ihrem Zögern, wenn sie zwischen der Gesellschaft der Jugend – die obendrein das letzte Licht des Tages ausnutzte – und meiner wählen mußte. Nicht daß ich mich für eine Art Heiligen hielt, aber eine Portion Härte gehörte dazu, sie in den Garten zu schicken – ich brauchte es ihr nicht zweimal zu sagen – und selbst in die Küche zu gehen und mich um das Essen zu kümmern.
Richard und Gladys blieben während jener Zeit ziemlich häufig zum Abendessen bei uns, denn theoretisch sollte das Lernen danach weitergehen, und wenn man sie hörte, war es besser, gemeinsam zu leiden, als einsam zu klagen. Darüber dachte ich zwar schon lange anders, aber ich schwieg fein still, zumal es einige Erkenntnisse gibt, zu denen man ohnehin recht schnell gelangt. Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie viel arbeiteten, wenn wir vom Tisch aufstanden, für meinen Geschmack fehlte es ihnen an Schwung, jede Kleinigkeit war ihnen Anlaß zur Ablenkung. Aber ich lud sie gewiß nicht ein, das Abendessen mit uns zu teilen, um mich ihres Arbeitseifers zu
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